Montag, 15. August 2016

Bengalische Nebelkerze.


aus nzz.ch, 14. 8. 2016

Boris Groys über Kunst
Die Wahrheit der Kunst 
Was bedeutet das Internet für die Kunst? Wie verändert es ihren Status und  wie beeinflusst es ihre Fähigkeit, ein Medium der Wahrheit zu sein?

von Boris Groys

Die zentrale Frage in Bezug auf die Kunst lautet: Ist die Kunst fähig, Medium der Wahrheit zu sein? Bei dieser Frage geht es um nicht weniger als um die Existenz und das Überleben der Kunst, denn wenn die Kunst nicht Medium der Wahrheit sein kann, dann ist sie bloss eine Angelegenheit des Geschmacks. Die Wahrheit muss man akzeptieren, auch wenn man sie nicht mag. Aber wenn die Kunst lediglich eine Frage des Geschmacks sein soll, wird der Kunstbetrachter wichtiger als der Kunstproduzent. In diesem Fall kann man über Kunst nur soziologisch oder in Begriffen des Kunstmarkts sprechen – sie hat dann keine Unabhängigkeit, keine Macht. Kunst wird dann identisch mit Design. ...

Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen 
Jochen Ebmeier




Nota. - Solch einen Mist habe ich schon lange, ich glaube sehr lange nicht mehr gelesen. Gleich am Anfang wirft er eine Nebelkerze, da kann er dann nach Herzenslust fabulieren, es verschwimmt ja doch Eines im Andern: "Medium der Wahr- heit!" Er denkt ja gar nicht daran zu sagen, was er damit meint. Dass die Wahrheit sich nur in den Zeichen der Kunst aussprechen lasse? Dass nur der Künstler im Schaffen des Werks Wahrheit erführe? Dass dem Künstler die Gnade zuteil ward, die Wahrheit zu schauen, und er sie uns in seinem Werk zuteil werden lässt? 

Was Wahrheit ist, woher sie kommt, wie sie sich als solche zu erkennen gibt - davon erzählt er uns nichts, es reicht ihm, dass die Künstler wie auch ihr Publikum meinten, sie hätten einen "Blicküberschuss" und seien zu Höherem berufen: "Betrachten wir also die Kunst als ein Feld, in dem Individuen regelmässig Versuche unternehmen, die Welt zu verän- dern." Die einen beschieden sich mit bloßer Verkündigung, die andern verbündeten sich mit dem technologischen Fortschritt. Was daraus geworden ist? Er streift kurz die Endzeitutopien, mit denen er wohl die Totalitarismen der 30er und 40er Jahre meint, aber weiter verfolgt er die Spur nicht. Stattdessen erfahren wir ex cathedra: "Die moderne Kunst verstand sich als Suche nach dem «wahren Selbst»." 

Na und so weiter. Es geht ihm ja gar nicht um Kunst. Es geht ihm um die Künstler und ihre Identität. Sie treten "in Differenz zu sich selbst", und darum sagt ihre Kunst zum Publikum: "Ich bin nicht, wofür du mich hältst."  

Das ist ein karge Ausbeute nach so vielen Wörtern zwischen Pomp und Plattitüde. Es hat sich nicht gelohnt. Er hätte eben nicht gleich zu Anfang eine Nebelkerze werfen sollen. "Wenn die Kunst nicht Medium der Wahrheit sein kann, dann ist sie bloss eine Angelegenheit des Geschmacks. Die Wahrheit muss man akzeptieren, auch wenn man sie nicht mag. Aber wenn die Kunst lediglich eine Frage des Geschmacks sein soll, wird der Kunstbetrachter wichtiger als der Kunstprodu- zent. In diesem Fall kann man über Kunst nur soziologisch oder in Begriffen des Kunstmarkts sprechen – sie hat dann keine Unabhängigkeit, keine Macht. Kunst wird dann identisch mit Design."

Seit die Künstler sich immer weniger für Boten der Götter halten, tritt in ihren Werken vor den Bezug auf sachliche Themen immer deutlicher die geschmackliche Seite, da hat er Recht, und das ist eben das Ästhetische an der Kunst - und ihm so fremd, dass selbst das Wort in seinem Text nicht vorkommt. Es ist wahr, dass Generationen von Ästhetikprofesso- ren vor ihm schon davon nichts wissen wollten und "über Kunst nur soziologisch oder in Begriffen des Kunstmarkts sprechen". Er hätte dazu beitragen können, dass sich das ändert. Doch "heute interessieren wir uns viel mehr für den Wunsch nach Nicht-Identität, der die Künstler aus ihren historischen Kontexten herausführt, als für diese historischen Kontexte selbst." Nochmal werde ich das aber nicht auf meinem Blog wiedergeben; das Kommentieren war mir nicht erfreulich.
JE



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