Montag, 1. August 2016

Ethik vor Ästhetik in der Architektur?

Ökologische Architektur in Afrika – Francis Kéré baute in seinem Heimatdorf Gando in Burkina Faso zusammen mit der Bevölkerung diese dank schwebendem Dach und offenen Läden natürlich belüftete Sekundarschule.                                                                                                     aus nzz.ch, 29.7.2016, 13:45 Uhr

Gesellschaftlich relevante Architektur
Keine Ethik ohne Ästhetik
Immer mehr Architekten versuchen mit modellhaften Bauwerken soziale Prozesse auszulösen oder zu begleiten. Dabei ist die ästhetische Dimension der Gestaltung ebenso wichtig wie die soziale Relevanz.


von Andres Lepik 

Für die extrem arme Nachbarschaft von Hale County im US-Bundesstaat Alabama begann der Architekt und Hochschullehrer Samuel Mockbee im Jahre 1992 mit Studententeams Bauprojekte zu entwerfen und in Gruppenarbeit aufzurichten. Er fing mit einfachen Wohnhäusern an, die als Ersatz für marode Wellblechhütten oder Wohnwagen dienten, und weitete seine Aktivitäten bald auf Versammlungsräume, Kapellen und Spielplätze aus. Viele der Detaillösungen mussten improvisiert, die notwendigen Materialien oft von lokalen Firmen erbettelt werden, und die Konstruktionen wurden so angelegt, dass sie von den beteiligten Studenten ohne den Einsatz grosser Baumaschinen umgesetzt werden konnten. ...


Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen 
Jochen Ebmeier




Dem Red Location Museum in der Township New Brighton in Port Elizabeth, das der unrühmlichen Geschichte der südafrikanischen Apartheid gewidmet ist, verliehen Noero Wolff Architects mit einfachen Materialien eine expressive Ausstrahlung.  




Das dorfartig konzipierte rote Frauenzentrum der finnischen Architekten Hollmen Reuter Sandman in Rufisque, Senegal, überzeugt durch einfache Bauart und harmonische Erscheinung.  





Für die 2010 vollendete Siedlung Monterrey Housing im mexikanischen Monterrey entwarf der chilenische Pritzkerpreisträger Alejandro Aravena einen neuen Haustyp, den die Bewohner ähnlich wie schon die Iquique-Häuser weiter ausbauen können.  


Dr. Andres Lepik ist Professor an der Technischen Universität München und Direktor des Architekturmuseums München.


Zaha Hadid

Nota. - 'Mehr Ethik - weniger Ästhetik': Die Losung ist verständlich in einer Zeit, wo so viele Architekten den Ehrgeiz haben, als große Künstler in die Geschichte einzugehen, und zu diesem Behuf die Architektur für eine Kunstgattung halten müssen. Ein Architekt ist weniger Künstler als der Industriedesigner: Der hat einen Ingenieur, der ihm die Hauptsorge um das Funktionale abgenommen hat, noch bevor er erfahren hat, was er überhaupt tun soll. Der Architekt ist obendrein sein eigner Ingenieur, wenn er das Funktionale nicht selbst beherrscht, braucht er sich übers Ästhetische gar nicht erst den Kopf zu zerbrechen.

Vor dem Künstler hat er aber diesen einen großen Vorteil: Er zerbricht sich übers Ästhetische aus gutem Grund den Kopf. Für den bildenden Künstler ist es heute vollkommen gleichgültig, was er ästhetisch 'meint': Anything goes. Es war alles schonmal da, eines ist so berechtigt wie alles andere, im Zweifelsfall setzt man ein verfrem- dendes Moment hinzu, und schon geht's wieder. Das ist das Erzproblem des modernen Künstlers: dass er keine ästhetischen Probleme zu lösen hat! Man erkennt es daran, dass so viele neuere Werke mit Untitled betitelt sind; genausogut könnte darunterstehen: "Was Besseres ist mir nicht eingefallen."

Das braucht dem Architekten nicht zu widerfahren, wenn er nur irgend Geschmack hat. Und wenn er natürlich das Handwerk versteht: Denn anders als der Designer ist er sein eigener Ingenieur, die Probleme, die die Funktion stellt, stellt sie ihm; und - das ist der Witz - er kann sie von Anbeginn gar nicht anders formulieren, als (unter anderm) ästhetisch. Da kann der Maler, kann der Bildhauer nur neidisch werden.  
JE



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen