Bedeutend ist alles, was mich veranlassen kann, mein Verhalten zu ändern. Ästhetisch ist alles, was mir, ohne dass ich ein Interesse daran hätte, gefällt (oder missfällt). Alles, woran ich Interesse habe, veranlasst mich, mein Verhalten so oder anders einzurichten: Das macht eben mein Interesse aus. Ästhetisch wären Erscheinungen, die mir nichts bedeuten (und doch meinen Beifall oder mein Missfallen finden).
W. Turner
Will sagen, in weniger komplexen Gesellschaftszuständen begegneten den Menschen viel mehr Dinge ohne Absicht als heute; sie hätten sie um ihrer selbst willen betrachten (und ihrem Beifall und Missfallen aussetzen) können. Haben sie es getan, haben sie es gewollt? Wer genügend Muße hatte, vielleicht. Aber je komplexer die gesellschaftliche Arbeitsteilung wurde, auf umso mehr fremde Absichten mussten sie sich einstellen, sich daran gewöhnen, Zeichen zu deuten und rechtzeitig ihr Ver- halten darauf einzustellen. Das Interpretieren von Zeichen wurde zur unumgänglichen Gewohnheit, eine tiefenpsychologi- sche Schule hat darin einen sprudelnden Einkommensquell aufgetan. Ohne deren Verheerungen im öffentlichen Bewusstsein wäre Barthes nicht auf seine Manie verfallen. Sie gehörte zu den drei, vier großen Mythen des 20. Jahrhunderts.
H. Füssli
Man muss nämlich nicht alles als Zeichen deuten. Man kann es bleiben lassen. Richtig ist allerdings, mit zunehmender Komplexität der Lebenswelt braucht es immer größere Entschlossenheit, sich die semiotischen Anmutungen vom Leib zu halten und die Dinge ohne Interesse anzuschauen. Der ästhetische Zustand kommt immer seltener von allein. Aber umso begehrter wird er vielen.
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