Donnerstag, 2. März 2017

Was der Architekt dem Künstler voraushat.


Treppenhaus des Bell–Lloc-Weinguts in Palamós bei Girona,  2007
 aus einem Kommentar

'Mehr Ethik - weniger Ästhetik': Die Losung ist verständlich in einer Zeit, wo so viele Architekten den Ehrgeiz haben, als große Künstler in die Geschichte einzugehen, und zu diesem Behuf die Architektur für eine Kunstgattung halten müssen. Ein Architekt ist weniger Künstler als der Industriedesigner: Der hat einen Ingenieur, der ihm die Hauptsorge um das Funktionale abgenommen hat, noch bevor er erfahren hat, was er überhaupt tun soll. Der Architekt ist obendrein sein eigner Ingenieur, wenn er das Funktionale nicht selbst beherrscht, braucht er sich übers Ästhetische gar nicht erst den Kopf zu zerbrechen.

 Alterszentrum und Joan-Oliver-Bibliothek im Sant-Antoni-Quartier in Barcelona, 2007

Vor dem Künstler hat er aber diesen einen großen Vorteil: Er zerbricht sich übers Ästhetische aus gutem Grund den Kopf. Für den bildenden Künstler ist es heute vollkommen gleichgültig, was er ästhetisch 'meint': Anything goes. Es war alles schonmal da, eines ist so berechtigt wie alles andere, im Zweifelsfall setzt man ein verfremdendes Moment hinzu, und schon geht's wieder. Das ist das Erzproblem des modernen Künstlers: dass er keine ästhetischen Probleme zu lösen hat! Man erkennt es daran, dass so viele neuere Werke mit Untitled betitelt sind; genausogut könnte darunterstehen: "Was Besseres ist mir nicht eingefallen."

Openair-Bereich des La-Lira-Theaters in Ripoll 

Das braucht dem Architekten nicht zu widerfahren, wenn er nur irgend Geschmack hat. Und wenn er natürlich das Handwerk versteht: Denn anders als der Designer ist er sein eigener Ingenieur, die Probleme, die die Funktion stellt, stellt sie ihm; und - das ist der Witz - er kann sie von Anbeginn gar nicht anders formulieren, als (unter anderm) ästhetisch. Da kann der Maler, kann der Bildhauer nur neidisch werden.

29.7.2016     
                                                                                                                                                                                                Sportanlage  in Olot bei Girona,.

Bilder von Bauten der diesjährigern Pritzker-Preisträger Aranda-Pigem-Vilalta
 

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