aus Badischen Zeitung, 8. 12. 2013, dpa James Ensor, The Singular Masks, 1892.
Brüssel eröffnet Fin-de-Siècle-Museum
Das neue Fin-de-siècle-Museum in Brüssel ist der belgischen und
französischen Avantgarde um die Jahrhundertwende gewidmet. Nach heftigen
Protesten und Verzögerungen ist es nun eröffnet worden.
Fernand Khnopff gilt neben James Ensor als Hauptvertreter des
Symbolismus und Victor Horta als Stararchitekt des Jugendstils. Um die
Jahrhundertwende war Brüssel ein bedeutendes künstlerisches Zentrum.
Belgische Künstler zählten damals zu den innovativsten der europäischen
Avantgarde. Diese einzigartige Kreativität will das neue
Fin-de-siècle-Museum mitten in Brüssel zur Schau stellen. "A new museum
opens its doors!" steht auf dem riesigen Plakat an der Fassade des neuen
Kunsttempels, in dem früher das Museum für moderne Kunst war.
VICTOR HORTA, Maison du Peuple, Rue Joseph Stevens, Brussels (abgerissen), 1895–99.
Das Fin-de-siècle-Museum liegt in dem neoklassizistischen Gebäude, in
dem sich auch das Museum für alte Kunst und das Magritte-Museum
befinden. Gezeigt werden rund 1000 Werke aus vielen künstlerischen
Disziplinen, angefangen von der Malerei, über Bildhauerei, Fotografie
und Architektur bis hin zu Mobiliar im Jugendstil. "Zu dieser Zeit
wollte man eine allumfassende Kunst, eine Gesamtkunst herbeiführen, die
Kunst und Kunsthandwerk miteinander verband", erklärt Michel Draguet,
der Direktor der Königlichen Museen der Schönen Künste Belgiens, das
Ausstellungskonzept.
Louis Dubois, Störche, 1858
Der Kunsthistoriker ist der Initiator des Jahrhundertwende-Tempels. "Ich
will damit zeigen, dass Brüssel zu dieser Zeit im Zentrum der
Avantgarde stand und die künstlerischen Entwicklungen stark beeinflusst
hat." In der Zeit zwischen 1880 und 1914 sind vielfältige Bewegungen
entstanden wie der Symbolismus, Impressionismus, die Dekadenzdichtung
und der Expressionismus. Salons von Künstlervereinigungen wie Les XX und
La Libre Esthétique wurden gegründet.
Alphonse Mucha, La Nature, 1899-1900
Das neue Museum hat aber auch scharfe Kritiker. Denn es ist in die
riesigen Säle des Museums für moderne Kunst gezogen, das Anfang 2011
geschlossen wurde. Seitdem schlummert die Kunst des 20. und 21.
Jahrhunderts größtenteils in den Depots der Königlichen Museen der
Schönen Künste Belgiens. Dass Brüssel als Hauptstadt Europas kein Museum
für moderne Kunst mehr habe, sei ein Skandal, protestierten Künstler,
Galeristen und Sammler. Diese Kunst dürfe nicht einfach verschwinden,
bis ein neuer Ort für sie gefunden sei.
ÉDOUARD VUILLARD, Schuljungen, 1894
Draguet verfolgt ein längerfristiges Konzept. Er will die umfangreichen,
rund 20 000 Werke zählenden Sammlungen der Königlichen Museen der
Schönen Künste besser verteilen und sichtbarer machen. Dazu hatte er vor
wenigen Jahren fast alle Werke von René Magritte aus den Sammlungen
genommen und 2009 das Magritte-Museum eröffnet - mit 500 000 Besuchern
jährlich ein Publikumserfolg.
Pierre Bonnard, Akt im Gegenlicht, ca. 1908
Der nächste Schritt sei es, die Werke aus der Zeit nach 1914 dauerhaft
auszustellen. Einen Ort für das zukünftige Museum für moderne Kunst hat
Draguet bereits gefunden: das ehemalige Kaufhaus Vanderboght im Zentrum
der Stadt. Die Kosten der Umbauarbeiten werden auf mehrere Millionen
Euro geschätzt. Der Ball liege nun im Feld der Regierung.
James Ensor, Zwei Gerippe streiten um einen eingelegten Hering, 1891
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