Kataloniens Meisterfotograf Francesc Català-Roca
Ein Auge für Häuser
Der Katalane Francesc Català-Roca wurde in den 1950er Jahren zu einem Erneuerer der Architekturfotografie. Eine kleine Ausstellung in Lausanne zeigt kostbare frühe Aufnahmen von Bauten Josep Coderchs, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag feiern könnte.
von Roman Hollenstein
Mit dem Nachlass des italienisch-schweizerischen Architekten Alberto Sartoris besitzen die Archives de la construction moderne der ETH Lausanne (EPFL) einen veritablen Schatz, von dem die Hochschule immer wieder neue Teile der Öffentlichkeit präsentiert – sorgfältig aufgearbeitet und in kleinen Katalogen dokumentiert. Derzeit sind im Foyer-Obergeschoss des Bâtiment SG gleich zwei Ausstellungen zu sehen, die anhand von Vintage-Prints Hauptwerke Luigi Nervis sowie der «Nueva arquitectura catalana» der 1950er Jahre zeigen. Während Nervis wichtigste Bauten in Originalabzügen verschiedener italienischer Fotografen zugegen sind, wird die Nachkriegsarchitektur Kataloniens mit 68 ebenso schönen wie kostbaren Aufnahmen des wohl grössten Fotografen der spanischen Moderne vorgestellt: des gerne mit Henri Cartier-Bresson verglichenen Katalanen Francesc Català-Roca (1922–1998). Bemühungen um eine filmartige Annäherung an seine Bildsujets weckten früh schon Català-Rocas Interesse an der Architektur, die er jeweils wie ein Kameramann umrundete und so auf ganz neue Weise von der Totalen bis zum Detail zu erfassen wusste.
Die in Fachzeitschriften wie «Architecture d'Aujourd'hui» oder «Domus» sowie in Sartoris' Publikationen veröffentlichten Aufnahmen verhalfen den Architekten des «Grup R», die zwischen 1951 und 1958 in Barcelona das rationalistische Vokabular um organische und regionalistische Elemente bereicherten, zu internationaler Beachtung. Ihre Apartmenthäuser und Villen sollten aber auch den Boden für das katalanische Architekturwunder der 1980er Jahre bereiten, das trotz Bau- und Wirtschaftskrise noch immer – wenn auch etwas gedämpft – anhält. In der EPFL-Schau zu sehen sind das Kino «Fémina» und das Hotel «Park», die Antoni de Moragas als erste moderne Interventionen im Zentrum von Barcelona verwirklichte, das leider längst zerstörte Haus des Verlegers Ignacio Augustí von Josep Maria Sostres in Sitges, die aus einem Sockel mit aufgesetzten Schlafboxen bestehende Casa Guardiola in Argentona, die Oriol Bohigas, der Theoretiker des «Grup R», zusammen mit Josep Martorell errichtete, sowie zwei Arbeiten von Francesc Barba Corsini: der längst rückgängig gemachte surrealistische Dachgeschoss-Umbau von Antoni Gaudís «Pedrera» sowie die grauschwarze, mineralisch wirkende Casa Pérez del Pulgar in Cadaqués.
Im Zentrum der Schau aber steht der bedeutendste Architekt der katalanischen Nachkriegsmoderne, Josep Antoni Coderch, der vor 100 Jahren (am 26. November 1913) in Barcelona geboren wurde und kurz vor seinem Tod im Jahre 1984 noch erleben durfte, wie eine junge Generation seine Bauten neu entdeckte, allen voran die beiden in Zusammenarbeit mit Manuel Valls realisierten Apartmenthäuser im Stadtteil Barceloneta. Der frühere der beiden Bauten zeichnet sich durch unregelmässig gezackte Grundrisse aus, die sich in den mehrfach geknickten, über das rechteckige Sockelgeschoss ausgreifenden Fassaden spiegeln. Damit unterscheidet er sich diametral von der Casa Ugalde in Caldes d'Estrac, die Català-Roca in metaphysischen Aufnahmen festhielt. Die Villen Torrens und Catasús in Sitges hingegen fotografierte er in einer an Julius Shulman erinnernden, fast schon südkalifornischen Bildsprache.
Mit diesen Bauten machte Coderch, der in den 1940er Jahren nebenamtlich als Stadtplaner von Sitges tätig gewesen war, den einst für seine eklektizistischen Ferienhäuser bekannten Badeort zur Geburtsstätte der «neuen katalanischen Villa». In seiner späteren Karriere beschäftigte sich Coderch dann, ausgehend von den frühen Apartmenthäusern, vor allem mit dem Massenwohnungsbau, für den er in den 1960er und 1970er Jahren spannende strukturalistische Lösungen fand. Diese oft preisgekrönten Werke begründeten eine Wohnbau-Tradition, die von allen namhaften katalanischen Architekten bis heute immer wieder mit bedeutenden Beiträgen neu belebt wurde.
Bis 11. Dezember im Gebäude SG der EPFL. Kataloge: Architectures catalanes des années 1950. Photographies de Francesc Català-Roca dans la collection Alberto Sartoris. Hrsg. Antoine Baudin. – Pier Luigi Nervi ou l'art de la structure. Photographies de la collection Alberto Sartoris. Hrsg. Alberto Bologna. Beide Bücher: Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2013 (je 104 S., Fr. 23.50).
Nota.
Die Fotos illustrieren nicht den Artikel. Català Roca ist bei uns kaum bekannt; darum hier noch ein paar Fotos:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen