Dienstag, 14. Oktober 2014

Kathedralen - eine Ausstellung in Köln.

aus Badische Zeitung, 13. 10. 2014                                                                               Wasserspeier aus Reims

Die steinernen Sehnsuchtsorte
Kölner Dom versus Notre-Dame: Zwei aktuelle Kölner Ausstellungen beleuchten das durchaus wandlungsfähige Bild der Kathedrale in der Kunst.

von Ulrich Traub

"Die Kathedrale ist die Synthese des Landes", schrieb Auguste Rodin 1914, "unser ganzes Frankreich ist in unseren Kathedralen, wie ganz Griechenland im Parthenon war." Die gotischen Kirchen, jahrhundertelang vergessen – nicht nur in Frankreich –, waren zu nationalen Symbolen, zu Identifikations- und Sehnsuchtsorten geworden. Mittelalter war in, auf beiden Rheinseiten.

Etienne Moreau-Nélaton, Paris von den Türmen Notre-Dame aus gesehen (1899) 

Es begann mit einem Missverständnis. Das erzählt die Ausstellung "Die Kathedrale" im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Der junge Goethe, begeistert vom Straßburger Münster, deutete 1773 in seiner Schrift "Von deutscher Baukunst" Gotik als deutsche Erfindung. Hier irrte der Dichter, aber die Fehleinschätzung erwies sich als langlebig. Bei der Konkurrenz besorgte Victor Hugos "Glöckner von Notre-Dame" (1831), der die nach den Zerstörungen während der Französischen Revolution in traurigem Zustand befindliche Kathedrale beschrieb, die Initialzündung.

 Caspar David Friedrich, Gartenlaube bei Greifswald, 1818

Die Folgen sind heutige Sightseeing-Highlights und Weltkulturerbestätten: In Köln wurde plötzlich wieder in die Hände gespuckt und der Dom zu Ende gebaut, an dessen Baustelle seit 1530 Stillstand herrschte. Die Maßnahme wurde sogar als eine nationale Aufgabe verstanden. Und in Frankreich putzte man die vernachlässigten Kathedralen heraus und entdeckte die Bedeutung des Denkmalschutzes. Mit Caspar David Friedrichs und Karl Friedrich Schinkels idealisierten Kathedralen eröffnet die Kölner Schau ihren etwas holprigen Parcours, der mit Andreas Gurskys wie anders als monumental aneinandergereihten Kirchenfenstern endet.

Gursky, Kathedrale I. Auf dem Foto wurde das Mauerwerk digital entfernt.

Monet ging es schlicht um Malerei

Nach der romantischen Sichtweise, die als Ausdruck der Sehnsucht nach Größe, nach staatlicher Einheit, gelesen werden muss und die auch im politisch unsteten Frankreich des 19. Jahrhunderts eine Entsprechung fand, lockt die Ausstellung schnell zu den Höhepunkten, den impressionistischen Darstellungen – allen voran Monets Ansichten der Kathedrale von Rouen, denen die Auseinandersetzung von Alfred Sisley mit der Kirche von Moret-sur-Loing gegenübersteht.

Sisley, Notre Dame de Moret sur Loing bei Regen

Monet ging es nicht um symbolische Aufladung seines Bildgegenstandes, sondern schlicht um Malerei – daher auch das neue, serielle Arbeiten, auf das später der Pop-Artist Roy Lichtenstein bei der Aneignung der Monet-Bilder zurückgriff, während Andy Warhol den Kölner Dom vervielfältigte.

Warhol 

In der Mitte des Raumes steht Rodins Skulptur "Die Kathedrale". Sie stellt zwei hochgestreckte, rechte Hände dar, die sich zu berühren scheinen: Symbol der Schaffenskraft des Menschen. Was der aber auch zustande bringen konnte, zeigte 1914 die Zerstörung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen.

Rodin, Cathédrale (Bin ich eigentlich der einzige, der merkt, was für ein Kitsch das Zeug von Rodin ist?) 

Ohne Lyonel Feininger geht es hierbei nicht

An diesen Dolchstoß in die französische Seele erinnert die Schau ebenso wie daran, dass der Düsseldorfer Imi Knoebel 2011 sechs Fenster dieses Gotteshauses mit Farbcollagen gestalten durfte. Im Kölner Saal wird der Dom in den Blick genommen – auch durchs Panoramafenster. Maler hielten mahnend die Baustelle fest oder antizipierten die Fertigstellung. Carl Hasenpflug zeigte 1836 eine Idealansicht, lange vor der Bauvollendung 1880. Hundert Jahre später kam Christo auf die Idee, . . . Man ahnt es.

Feiniger, Marienkirche, Halle

Keine Kathedralen-Ausstellung ohne Lyonel Feininger. Neben seinen kubistischen Kirchenstudien versammelt die Schau mal mehr, mal weniger Expressionistisches von Kirchner, Max Ernst und Christian Rohlfs, August und Helmut Macke. Hier strahlt ein Dom violett, dort muss sich der Kirchturm von einem Telegrafenmast überragen lassen. Pablo Picasso hat 1945 Notre-Dame in Fragmente zerlegt: auch das eine Reaktion auf den Lauf der Geschichte. Bis heute hat die Kathedrale einen festen Platz im Bildrepertoire der Künstler, die sich indes aus deutlich anderen und vielschichtigeren Beweggründen als vor 200 Jahren diesem Topos widmen.

Max Ernst, Laon 1916

Wer jetzt so richtig auf den Kathedralen-Geschmack gekommen ist, der sollte natürlich dem Kölner Dom einen Besuch abstatten, aber auch dann die paar Meter bis zum Museum für Angewandte Kunst nicht scheuen. Markus Brunetti zeigt hier 30 drei Meter hohe, gestochen scharf die Details ins Bild setzende Fotos von Kirchenfassaden – von Arles über Ottobeuren bis Venedig. Der Befund: zum Hinknien schön.

Wallraf-Richartz-Museum, Köln: "Die Kathedrale – Romantik, Impressionismus, Moderne", bis 18. Januar.
Museum für Angewandte Kunst, Köln: "Facades" von Markus Brunetti, bis 14. Dezember. 

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