Freitag, 24. Oktober 2014

O ja, so tanzt er.

Roe Ethridge:
aus nzz.ch,  17.10.2014, 11:41 Uhr                                                                               Roe Ethridge, LV for Double, 2012, C-Print.

Marathon der Kunst in der Londoner Frieze-Woche
Gags und Meisterwerke



Geblieben ist der Frieze London (bis 18. Oktober) aus frühen Jahren der grelle Anstrich des Vergnügungsparks. Gags und ausgefallene Installationen dienen als Blickfang – gar ausschliesslich gleich beim Eingang am Stand der Gagosian Gallery. Einzelne Beispiele sind bei der Londoner Lisson Gallery ein roter Stuhl, «Red Chair (for Charlie)» von Joyce Pensato, mitsamt beklecksten Farbtöpfen und Terpentineimern für 25 000 Dollar zu haben, sowie das bei Marian Goodman aus New York bereits in der Vorschau verkaufte Werk «9 Piques» von Annette Messager: neun an eine Wand gelehnte Lanzen mit aufgespiessten Puppen und Zeichnungen. Einen Blickfang gibt's auch bei Tanya Bonakdar aus New York, das mit Banknoten ausgestattete «Bureau d'échange» von Meschac Gaba: ein Holztisch unter dem gelben Metallgerippe eines Schirms zum Preis von 24 000 Euro. Gags, Installationen oder ganz einfach kunstlose Kunst?

Bureau de change, von Meschac Gaba 

Mit preislichen Schwergewichten wartet an der im Layout übersichtlicher gewordenen Messe der White-Cube-Boss Jay Jopling auf. Er, immer noch mit Werken von Damien Hirst überlastet, hatte Glück: Schon in der Vorschau gingen von diesem notorischen YBA-Künstler zwei Glasschränke mit Fischen für 4 Millionen Pfund weg. Unübersehbar ist am Stand der Londoner Niederlassung von Hauser & Wirth das Engagement des Galeristen Iwan Wirth für plastische Arbeiten; so sind hier Werke von Phyllida Barlow und Louise Bourgeois zu haben, von der Letzteren – an der Frieze London fürwahr eine Grande Dame – zu Preisen von 85 000 bis zu 2,5 Millionen Dollar. Lebt bei einigen Galeristen das Statement von der Grossflächigkeit ihrer Gemälde, setzen andere auf die Fotografie und darin auf den Puls der Zeit – gelungen ist dies Luisa Strina aus São Paulo, deren von Anna Maria Maiolino geknipste Porträts an die Brutalität der brasilianischen Militärdiktatur erinnern.

Annette Messager, Les piques

Vom weiten Rahmen des Angebots von Kunst aus allen Jahrhunderten und Kulturen zeugen an der Frieze Masters nur schon die Namen der teilnehmenden Händler. Didier Aaron, Baroni, Cahn International, Richard Feigen, Sam Fogg, Johnny van Haeften, Ben Janssens, Koetser, Moretti, Sprüth Magers, Rupert Wace und nebst anderen David Zwirner sind dieses Jahr dabei. Was heisst, dass Antiken ebenso wie mittelalterliche Kunstwerke ein Schaufenster haben. Und bei der Malerei begegnet man Cranach ebenso wie Rembrandt und Rubens, ja führt der Streifzug über Turner und Delacroix bis hin zu Degas, Gauguin, Monet und schliesslich zu Meistern der Neuzeit wie Picasso, Henry Moore und Bruce Nauman. Auch sind an dieser Messe einige der an der Frieze London ausstellenden Galerien vertreten; solche, zu deren Angebot die klassische Moderne ebenso wie die Gegenwartskunst gehört.

Damien Hirst Because I Can't Have You, I Want You 1993

Musealen Charakter verleihen der Frieze Masters (bis 19. Oktober) nicht zuletzt wie schon im Vorjahr mehrere Einzelpräsentationen. In einer solchen One-Man-Show gastiert bei Hauser & Wirth der Schweizer Jean Tinguely, und zwar vornehmlich mit einer Auswahl von Maschinenskulpturen mit «La Tour» (Berner Zytglogge) im Zentrum – die Preise reichen von 800 000 bis 4,8 Millionen Dollar. Im Gegensatz zu Hauser & Wirth sind anderswo, zum Beispiel in der Francis-Bacon-Show bei Marlborough Fine Art, Leihgaben vorhanden, was den Aussteller selbstverständlich kommerziell einschränkt. Wie dem auch sei, die Preise bei Marlborough, wo Zeichnungen und Gemälde Bacons gezeigt werden, bewegen sich zwischen 15 000 und 38 Millionen Dollar. Unter den weiteren Einzelpräsentationen an der Frieze Masters sind eine Leon Kossoff und eine Antoni Tapiès gewidmete Show.

Study for Bullfight von Francis Bacon am Stand der Malborough Gallery, Frieze Masters 2014

Als die Frieze Masters gegründet wurde, war sie vom Gedanken beseelt, dem Publikum den Zusammenhang zwischen der Gegenwartskunst und Kunst früherer Jahrhunderte zu verdeutlichen. Doch wie den Auktionshäusern mit mühsamen Erklärungen in den Katalogen für Gegenwartskunst gelingt dies auch dieser schönen Messe nicht. Ein Beispiel ist der Stand von Peter Freeman und Georg Laue. Kein Zweifel an der Qualität der gezeigten Objekte – doch die Auswahl ist so vielfältig, dass das Erstellen von Zusammenhängen allein dem Besucher obliegt.

Willem Claesz. Hedas Stillleben kostet bei Koetser aus Zürich 1,15 Millionen Pfund.
Willem Claesz. Hedas Stillleben kostet bei Koetser aus Zürich 1,15 Millionen Pfund.
Eine weitere Frage beschleicht einen am Stand von Koetser aus Zürich. Hier wird ein Stillleben von Willem Claesz. Heda «mit einer silbernen Tasse und einem vergoldeten Pokal», für 1,15 Millionen Pfund angeboten. In der Anordnung der Gegenstände erinnert das Werk an gewisse Gags und Installationen im Frieze-Zelt für Gegenwartskunst – und doch zweifelt keiner, dass er hier vor einem Kunstwerk steht. Warum? Nebst Sinn für Farbe und malerischer Technik war Claesz eben noch eine weitere Gabe eigen: Er spricht die Seele an.

Nota. - Das muss man so verstehen: Dies Event wurde weiland in die Welt gesetzt, um Anfängern auf dem Feld der Spekulation Gelegenheit zu geben, ein paar junge, unbekannte Künstler zu treffen, denen sie für ein paarzehntausend Piepen ein paar Stücke abkaufen, die mit bissel Glick in ein paar Jahren ein paar Millionen kosten; das ist ganz in Ordnung, denn so wird beiden geholfen. Ob ihm die Sachen gefallen, spielt keine Rolle, den richtigen Riecher muss er haben, in welche Richtung der Trend geht; wie im richtigen Leben, wie an der richtigen Börse.

Der Kritiker der NZZ lässt uns seinen Unmut ahnen, das ist bei seinem Metier allerhand. Er wählt mildere Worte als ich es täte; doch wenn mir einer sagte, "von zeitgenössischer Kunst verstehste nix", könnte ich es stehen lassen - er nicht.
JE

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