Montag, 27. Oktober 2014

Monet an der Donau.

BELVEDERE-AUSSTELLUNG: OESTERREICHISCHE KUNST 'IM LICHTE MONETS'
aus Die Presse, Wien, 24. 10. 2014                                                                                     Monet und Klimt


Monet und seine Wiener Jünger 
„Im Lichte Monets“ im Belvedere führt eindrucksvoll vor Augen, wie stark der Impressionismus des Franzosen die Malerei in Österreich befruchtete.



„Schauen Sie nicht gleich auf die Beschriftung, prüfen Sie sich, ob Sie die richtige Zuordnung treffen.“ Vor diese Herausforderung stellte uns Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco auf der Pressekonferenz. Denn in der Orangerie sind 30 Werke von Claude Monet ausgestellt, vermischt mit 45 Bildern österreichischer Maler. Monet war wie kaum ein anderer Impressionist einflussreich in Wien. 1903 hatte er in der Impressionismus-Ausstellung in der Wiener Secession einen großen Auftritt, das als „Moderne Galerie“ gegründete, heute als „Belvedere“ bekannte Museum kaufte drei wichtige Werke des 1840 in Paris geborenen Meisters. Wie nah manche Maler dem französischen Vorbild kamen, vor allem aber, welche feinen Unterschiede an der Donau entwickelt wurden, das steht jetzt im Mittelpunkt der Ausstellung „Im Lichte Monets“ – und die hält Überraschungen parat.

Max Weiler, Natur mit Caput mortuum, 1970

Der Impressionismus bot eine ganz neue Möglichkeit, die Wirklichkeit zu malen. Denn als Motiv dienten nicht die Gegenstände in ihrer Objekthaftigkeit, sondern in ihrer Wahrnehmung. Die malerische Herausforderung bestand darin, das Licht, die Flüchtigkeit des Augenblicks, die Stimmungen – kurz: die Welt in ihrer ständigen Veränderung darzustellen. Damit hatten die französischen Maler eine Methode gefunden, das Lebensgefühl der Moderne optisch einzufangen. Dafür verließen sie die Ateliers und malten draußen. Von Monet ist überliefert, dass er auf der Jagd nach Motiven keine Situation scheute. So verlor er einmal seine gesamte Ausrüstung durch eine Welle, als er zu nah am Meer malte. Ein andermal holte er sich einen Sonnenstich.

Loslösung vom Gegenstand

Durch die Arbeit im Freien entwickelte Monet bald auch die bahnbrechende Idee, in Serien zu malen: Jedes Motiv veränderte sich von Minute zu Minute, in einem einzigen Bild war das nicht zu fassen, stattdessen malte er ein Ensemble von Bildern. Langsam löste sich die Malerei immer weiter von ihrem Gegenstand, wurde zur reinen Malerei und bereitete den Schritt in die Abstraktion vor.

Theodor von Hörmann, Paris bei Nacht, 1889

Ende des 19. Jahrhunderts begannen österreichischen Maler, sich mit dieser Entwicklung zu beschäftigen. Sie griffen ähnliche Themen auf, experimentierten mit ungemischten Farben, die Farben wurden heller, die „erdige Tonalität der Stimmungsmaler wurde zurückgelassen“, erklärt Kurator Stephan Koja. So kommt Theodor von Hörmann, der 1886 nach Paris ging, diesem Stil vor allem in den Bildmotiven der Großstadt am nächsten und gilt als der Impressionist Österreichs. Ihn unterscheidet aber deutlich seine „Suche nach der Richtigkeit“ (Koja), seine akribische Genauigkeit der Details.

Franz Jaschke An der Donaulände, 1903

Auch Franz Jaschke (1862–1910) stand stark unter dem Einfluss der Impressionisten, im Pinselduktus und in der Wahl der hellen Farben, die bei ihm deutlich pastelliger sind. Besonders beeindruckend ist der Vergleich von Monets Seestücken und Klimts „Am Attersee“ (1900): Klimt imitiert Monets Pinselstrich, gibt dem Motiv aber ein anderes Kolorit. Einen „Rahmen voller Seewasser“ nennt Koja die radikale Komposition, die uns mitten ins Wasser platziert. Eine kleine Sektion hat Koja der Fotografie von Heinrich Kühn eingerichtet, der die Grobkörnigkeit als malerisches Mittel einsetzt und mit Vorsatzlinsen arbeitet, um weiche Verläufe zu erhalten.

 
Klimt, Am Attersee, 1900


Überraschungen: Boeckl, Weiler

Manchmal verliert man die Suche nach den Differenzen aus dem Auge, wenn sich die Motive von Bild zu Bild zu deutlich wiederholen, die Blumen, Berge und vor allem die Seen. Aber dann kommt die Überraschung: Das Belvedere hat es doch tatsächlich geschafft, auch hier wieder Werke von Herbert Boeckl (1894–1966) hineinzumischen – obwohl dessen Stil keineswegs von Monet, sondern hier deutlich von Paul Cézanne beeinflusst ist. Boeckl griff die Methode der Serienbilder auf, lautet die Erklärung. Die zweite Überraschung ist der letzte Raum mit vier großen Werken von Max Weiler (1910–2001). Er habe bei den Seerosenbildern das erste Mal an Weiler gedacht, erzählt der Kurator, und später auf einer Skizze einen Hinweis zur expliziten Auseinandersetzung gefunden. Hier hat der Einfluss eine deutlich neue Sprache gefunden, Verwechslung ausgeschlossen.

Im Lichte Monets. Österreichische Künstler und das Werk des großen Impressionisten. Unteres Belvedere, bis 8.2.

Herbert Boeckl, St. Margareten
aus Der Standard, Wien, 24.10.2014


Auf Kuschelkurs mit Meister Monet
"Im Lichte Monets" heißt die aktuelle Ausstellung in der Orangerie des Belvedere. Claude Monet, Ikone des Impressionismus, ist in der Tat die Sonne, in dessen Glanz österreichische Künstler gebadet werden. Kein abwegiges Projekt, aber eines, das an Platzmangel leidet

 

Wien - Lavendelblau und golden strahlt es dem Betrachter entgegen, ganz so als handele es sich nicht um ein Gemälde auf Leinwand, sondern eine Lichtquelle. Eine Intensität farbigen Lichts breitet sich aus und dominiert vibrierend die Atmosphäre. Wahrzunehmen, dass sich im Raum noch andere Bilder befinden, kommt einer Willensanstrengung gleich.

 
Monet, Kathedrale von Rouen 

Die pastosen Farbflecken mit der den Blick geradezu hypnotisierenden Wirkung gehören zu Claude Monets Kathedrale von Rouen in der Sonne von 1893. Der gotische Sakralbau in der Normandie war eines jener Motive, die Claude Monet (1840-1926) immer wieder zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten gemalt hat. Denn er wollte nicht nur einfach eine Kirche, eine Brücke, einen Garten malen, sondern die spezielle und schöne Stimmung, die Atmosphäre einfangen: die Impression eines kurzen Moments.

 
Ein Anspruch, den er als "großes Leiden" und auch als Unmöglichkeit empfand; das Gesetz der Serie - mehrere Bilder zum Ensemble zusammenzuspannen - erschien ihm als einzige Lösung. Monet war oft unzufrieden mit den Ergebnissen, hunderte Bilder soll er zerstört haben, viele davon voller Wut und mit einem Fußtritt mitten in die Leinwand.

 
Wer einmal die Intensität von Monets Farbgewalt am Original erlebt hat, seine Fähigkeit die Wahrheit eines Augenblicks, einer Seherfahrung in Malerei zu übersetzen, der kann sich vorstellen, welche immense Wirkung die Bilder des Impressionisten auf seine künstlerischen Zeitgenossen gehabt haben müssen.

Klimt, Boeckl, Weiler

Genau um die geht es in der aktuellen Ausstellung in der Orangerie des Belvedere. Auch. Um Österreichische Künstler und das Werk des großen Impressionisten, also etwa um Vertreter des Stimmungsimpressionismus wie Tina Blau, Carl Moll, Olga Wisinger-Florian und Theodor von Hörmann, oder um ungleich bekanntere Vertreter der österreichischen Kunstgeschichte: Gustav Klimt, Herbert Boeckl oder Max Weiler.

Klimt, Birkenwald 1903

Es war zwar nicht genau diese, das Präludium der Schau dominierende Kathedrale von Rouen (eine Leihgabe aus Boston), die vor über hundert Jahren in Wien (1912 in der Galerie Arnot) ihre Wirkung entfaltete, aber eine ähnliche, ins Mittagslicht getauchte Variante.

Werner Boeckl, Erzberg-Serie

Monets Bilder waren jedoch bereits vor der Jahrhundertwende in Wien präsent. Vereinzelte Quellen gehen sogar davon aus, dass schon bei der Weltausstellung 1873 Der Zug (1872) zu sehen war. Sicher ausgestellt waren Frühwerke sowohl im Künstlerhaus 1898, als auch - und insbesondere - bei der dem Impressionismus gewidmeten Schau 1903 in der Secession. Auf die diesbezüglichen Forschungen geht der Katalog ein, in der Ausstellung könnte man dies nicht annähernd ausbreiten.

Monet, Der Zug 1872

Denn sollten sich in den kleinen Salons gleichzeitig mehr als drei Personen aufhalten, ist es mit dem Genuss vorbei. Nicht nur den Besuchern drohen bei dem erwartbaren Publikumsansturm (Hoppla! Monet!) klaustrophobische Zustände, nein auch den Bildern hätte man mehr Entfaltungsspielraum gewünscht. Die Monet umkreisenden Satelliten baden nicht nur in seiner Sonne, sie drohen (das Entrée stellt eine Ausnahme dar) beinahe dessen Wirkung zu verschatten. Distanz schafft Nähe, wäre das bessere Motto der Hängung gewesen.

Irritierend ist diesbezüglich etwa die Begegnung auf Augenhöhe von Boeckls Erzberg-Serie und ganzen fünf (!) aus Denver, Ontario, Ottawa, Milwaukee und Zürich angereisten Leihgaben - Bilder aus Monets ebenso berühmter wie sensationeller Reihe zur Londoner Waterloo Bridge (1902/ 1903). Kostbarkeiten, denen in Wien einfach der Platz zum Atmen fehlt.

Monet, Waterloo Bridge 1903

Viele Gegenüberstellungen beweisen Kennerschaft und schulen den Blick, Zauber verbreitet sich allerdings kaum.

Bis 8.2.2015

Nota. - Ich werde nicht müde, es zu wiederholen: Die Impressionisten lösen sich nicht "vom Gegenstand", sondern von der Gegenständlichkeit des Gegenstands; von all den Merkmalen, die ihn im wirkliche Leben für dies oder das tauglich machen; und kehren stattdessen seinen bloßen Schein hervor, der von den Nützlichkleiten regelmäßig verschleiert wird. Das ist keine "Abstraktion". Das ist Ästhetisierung.
JE

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