Freitag, 14. November 2014

Zwischen Makart und Secession - der Wiener Hagenbund.

aus Die Presse, Wien, 13. 11. 2014                                                              Lilli Steiner, Portrait Lilian Gaertner 1927 

Unteres Belvedere
Raum für die vielen Modernen
Zwischen Traditionalismus im Künstlerhaus und Avantgarde in der Secession: Eine spannende Ausstellung erinnert an den Wiener Hagenbund.
    

Galerien gab es nur wenige, Kunsthallen gar keine und Museen zeigten nur ihre Sammlungen. Wo also sollten die Künstler ausstellen, wo verkaufen? Aus dieser Situation heraus entstanden im 19. Jahrhundert in Frankreich die Salons, in Österreich und Deutschland die Künstlervereinigungen. 1861 schlossen sich in Wien zwei ältere Vereine zur Standesvertretung der Maler zusammen und bezogen 1868 das Künstlerhaus – das noch heute im Besitz der Künstler ist und dessen spannungsreiche Geschichte dort gerade in der Ausstellung „600 Mio. – Freunde und Komplizen“ thematisiert wird. Zum siebenten Mal lädt Werner Brix nun schon ins Ronacher ein und steht mit seinen Künstlerkollegen und -kolleginnen für den guten Zweck auf der Bühne. 

ludwig ferdinand graf schwimmbad 1905

Aber dieser Verein war den forscheren Künstlern jener Zeit zu traditionell, sie gründeten 1897 die Wiener Secession, bis heute eines der wichtigsten Häuser in Wien. Dort Tradition rund um Hans Makart, hier Avantgarde mit Gustav Klimt als bekanntestem Künstler – wo aber stellte das gesamte Feld dazwischen aus? Dafür gründeten am 3. Februar 1900 einige Künstler den Hagenbund, genannt nach einem Gasthausbesitzer. Anders als die Gründungsväter der Secession sind diese Künstler international nahezu überhaupt nicht, national wenig bekannt: Eduard Ameseder, Alexander Demetrius Goltz, Heinrich Lefler, Maximilian Suppantschitsch – zu Unrecht, wie jetzt die gründlich recherchierte, umfangreiche Ausstellung im Unteren Belvedere zeigt.


Oskar Kokoschka Stillleben mit Hammel und Hyazinthe 1910

„Hagenbund – ein europäisches Netzwerk der Moderne“ heißt die Schau, die 190 Werke von 89 Künstlern und elf Künstlerinnen zeigt. Das ist zwar ein krasses Missverhältnis, war aber zu jener Zeit revolutionär. Denn weder Künstlerhaus noch Secession nahmen damals Frauen auf. Der Hagenbund dagegen war liberal ausgerichtet – dies ist auch eine der zentralen Erkenntnisse aus der zweijährigen Forschungsarbeit, die dieser Ausstellung vorausging. Anders als die Traditionalisten und die davon abgespalteten Avantgardisten bot der Hagenbund ein Forum für die große Vielfalt der vielen Modernen – womit dieser Künstlerbund heute ein sehr aktuelles Thema ist. Denn jahrzehntelang war Kunst, die nicht den strikten Ismen der Moderne zuzuordnen war, die wie Josef Floch kleine Abweichungen oder wie Lilly Steiner individuelle Fusionen verschiedener Stile praktizierten, aus der Kunstgeschichte ausgeschlossen. „Die Geschichte der Avantgarde hat den realen Kunstbetrieb ausgeblendet“, sagt Ko-Kurator Matthias Böckl.


Egon Schiele Häuser im Winter (Blick aus dem Atelier), 1907-1908

Zwar sind einige Künstler wie Viktor Planckh oder Franz Lerch im Wiener Kunsthandel durchaus keine Unbekannten, in den Museen jedoch schlummerten die Werke in den Depots – auch im Belvedere: 180 Werke aus dem Kreis des Hagenbunds besitzt das Belvedere. 51 davon sind jetzt in der Ausstellung zu sehen, darunter auch einige Neuentdeckungen wie die Eisenbahnertochter Franziska Zach, auf die Böckl hinweist.

Plattform der Neuen Sachlichkeit

Um die Komplexität des Hagenbunds auch nur annähernd vermitteln zu können, konzentriert sich die Schau auf die Malerei und betont die breite Vernetzung mit dem Norden und Osten – eine weitere neue Erkenntnis aus der Forschung und eine deutliche Unterscheidung zur Hagenbund-Ausstellung im Belvedere 1993. Vermittelt wird diese Vernetzung in der Ausstellung mit Diagrammen, die aber in verloren aufgestellten Hütten mitten in den Ausstellungsräumen versteckt sind – ob die so auch nur ein Besucher liest?


Edvard Munch, Männer am Meer, 1908

Ähnlich hilflos sind zusätzliche Textinformationen präsentiert: affichiert auf allzu eng beieinander stehenden Transportkisten der Bilder. Hier kann man eine matte Fotografie der Zedlitzhalle finden: Diese ehemalige Markthalle in der Inneren Stadt baute Josef Urban 1902 zum Vereinslokal um. Dort avancierte der Hagenbund 1910 „zur Speerspitze des Expressionismus“, wie Kurator Harald Krejci erklärt, und nach dem Ersten Weltkrieg zur Plattform der Neuen Sachlichkeit. 252 Ausstellungen veranstaltete er von 1900 bis 1930 – weit mehr als bisher angenommen –, 74 mit Mitgliedern, die übrigen mit Gästen. 1938 endete „die Idee einer kosmopolitischen und multikulturellen Moderne“, wie es Cornelia Cabuk im Katalog nennt, durch Hitlers Rassenpolitik. Einige Künstler emigrierten, andere wie Fritz Schwarz-Waldegg starben im Konzentrationslager. Eine Wiederaufnahme des Hagenbunds nach 1945 scheiterte.

Ausstellung: bis 1. 2. 2015


Oskar Laske, Begräbnis des Wiener Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, 1910

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen