Donnerstag, 13. März 2014

Der Künstler, ein Held und Gelehrter.

aus Badische Zeitung, 13. 3. 2014                                                                 Leon Battista Albertis Selbstporträt, 1430er Jahre

Das Auge des Helden

Medaillen und Plaketten der Renaissance in einer Ausstellung im Freiburger Morat-Institut.

Leon Battista Alberti (1404–1472) war einer der großen humanistischen Gelehrten am Aufgang der italienischen Renaissance. Ein Kunst- und Sozialtheoretiker, Antikenkenner, Architekt, Literat und bildender Künstler. Die Jubiläumsausstellung im Freiburger Morat-Institut, die den Sammlungsbestand einmal eindrucksvoll zur Geltung bringt (BZ vom 12. November 2013), schließt in einer Reihe von Vitrinen auch einen Teil der bedeutenden Kollektion der Medaillen und Plaketten der Renaissance ein – darunter, aus den 1430er Jahren, das Selbstporträt jenes Kulturheroen Alberti. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp lieferte eine präzise Beschreibung der Bildnis-Plakette "nach Art antiker Münzen und Gemmen": "Neben seiner gestochenen Umrisslinie und der Feinheit der Schläfenader, des Augenbrauenwulstes, der Augenhöhle und der Mundpartie beeindruckt es durch die wie pergamenten über die Knochen gelegte Haut und das ziselierte, nach Art der zeitgenössischen Mode kreisrund um den Kopf gelegte Haar."


Leon Battista Albertis Emblem auf einer Medaille Matteo de’Pastis

 In einer abweichenden Variante dieses frühen Beispiels eines Selbstporträts (in der National Gallery in Washington) sieht Bredekamp – Alberti hatte sich selbst ja mit dem stolzen Vornamen Leon geschmückt – den Haarschopf viel eher in der Art einer Löwenmähne akzentuiert. Und mit den genannten naturalistischen Elementen des Freiburger Bildnisses verbinden sich denn auch solch idealisierende Züge. So wurde hervorgehoben, dass sich Alberti auf das Selbstverständnis römischer Kaiser berufe. Ein Heros ist er nach eigener Anschauung. Ein Intellektueller, der sich als Souverän empfindet. Doch ist dies, nach Bredekamp, nur "die eine Seite der Medaille". Auch um zu zeigen, dass sich dieser legendäre Kopf nicht nur mit Größe und Schönheit des Geistes identifiziert, bezieht der Kunstgelehrte die Washingtoner Plakette, die das Bildnis mit dem Emblem Albertis, dem geflügelten Flammenauge, ergänzt, in seine Erörterung ein. Das schwebende "göttliche" Auge erklärt er als in dem Fall widersprüchliches Sinnbild. Nach seiner Deutung sind die züngelnden Flammen nicht als erhabene Sehstrahlen anzusehen, sondern als Feuer der dem Idealen entgegen wirkenden Leidenschaften. So wäre das umrätselte Emblem denn nicht zuletzt ein Eingeständnis der Schwäche, Zeichen der Selbstkritik. Es findet sich übrigens auch, von einem Lorbeerkranz eingefasst, so wie Alberti selbst es gezeichnet hatte, und kommentiert mit dem Motto des Skeptikers "quid tum?" (Was dann?) auf der Reversseite einer ihm gewidmeten Medaille des Matteo de’Pasti, die wir gleichfalls in der Morat-Sammlung sehen.


Die Geschichte der neuzeitlichen Porträtmedaille ist hier vom Anfang an erzählt. Als eine Art Prototyp gilt die des byzantinischen Kaisers Johannes Palaiologos VIII., von der Hand des Antonio Pisano, genannt Pisanello, eines Malers am Übergang von der höfischen Spätgotik zur Renaissance. Dessen umfangreiches Freskenwerk ging weitgehend verloren, doch zeugen von seiner visuellen Bildung und Darstellungskraft gerade die Zeichnungen und Medaillen. Dem byzantinischen Kaiser und seinem Gefolge begegnete Pisanello 1438 in Ferrara, wohin das Konzil von Basel verlegt worden war, das nun auf eine Verbindung von West- und Ostkirche aus war. Mit einem Kaiserbildnis nahm Pisanello einen Faden der Antike wieder auf. Die Porträtzeichnung dazu findet sich im Louvre. Wie auch die Studie des Johannes Palaiologos zu Pferd, den die Rückseite der Schaumünze zeigt.
 
Pisanello, Johannes Palaiologos VIII. 

Pisanello wurde zum gefragten Medailleur an den Höfen Italiens. So entstand bald nach dem Kaiserbildnis die Porträtmedaille des Gianfranceso Gonzaga I., Markgraf von Mantua. Großartig die Kehrseite: eine lebendige Reiterszene en miniature, die den gerühmten Tierdarsteller Pisanello erkennen lässt und selbst auch etwas von dem in seiner Zeit nicht minder geschätzten Landschaftsmaler. Rembrandt setzte später dem Künstler auf seine Art ein Denkmal, als er den Reiter Gianfranceso in seine Radierung "Die drei Kreuze" übernahm.

Pisanello, Johannes Palaiologos VIII., Rückseite 

Und dass die "Währung des Ruhmes", wie der Kunsthistoriker Georg Syamken die Medaillenkunst nennt, eben auch für die Größen der Kunst und die neuen Machthaber des Geistes Geltung beanspruchte, dies illustrieren ein in Blei gegossenes Selbstporträt Pisanellos wie auch eine Schaumünze, die den Humanisten Erasmus zeigt. Sie ist ein Werk wiederum eines Malers: des von Dürer hoch geschätzten Antwerpeners Quentin Massys. Der "Löwe" Alberti und sein Zeitgenosse Pisanello begründen eine Tradition des Ruhmbilds neu. Und dass dies auch im transalpinen Norden Verbreitung fand, das belegt die Ausstellung noch mit etlichen anderen Beispielen der Dürerzeit.

Morat-Institut, Lörracher Str. 31. Freiburg. Bis zum 31. Dez., Sa 11–18 Uhr und nach Vereinbarung:  0761/4765916. 


Nota. - Der Sozialtypus 'Künstler' entstand überhaupt erst mit der Renaissance. Zuvor waren Maler und Bildhauer Meister eines - hochangesehenen - Handwerks. Keine Antibürger, sondern Bürger von fast patrizischem Rang.
JE 

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