Freitag, 21. März 2014

Die Tunisreise vor hundert Jahren.

aus Badische Zeitung, 21. 3. 2014                                                      Paul Klee, Mit zwei Dromedaren und 1 Esel, Aquarell, 1919

Klee, Macke, Moilliet in Bern: Die legendäre "Tunisreise" von 1914
Eine Reise wird hundert. Diese "Tunisreise" der drei Maler Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet ist ein kunsthistorisches Datum. Ein Kurztripp nur, zwei Wochen im Frühjahr 1914. Aber: die große Stunde der Wasserfarbenmalerei. 

Die Reiseaquarelle von Klee und Macke gehören zum Schönsten, was der Moderne gelang. Klee sieht sich in Tunis als Maler beglaubigt, Macke erreicht eine letzte Steigerung in diesem April. Schon im September ist er tot, ein frühes Opfer des Weltkriegs. Die Begegnung der drei mit dem Orient war voll Staunen. Ein konfliktfreier Moment noch einmal. In den Bildern war von nichts anderm als Begeisterung die Rede: für Farben, Figuren und Formen. 

Für Klee endet die Reise erst im Todesjahr

Schon als man sich in Marseille trifft, ist man erwartungsvoll. Am 6. April legt die "Carthage" ab, am 7. erreicht der Dampfer den Hafen von Tunis. Beim Arzt Dr. Jäggi hatte Moilliet schon zwei Mal gewohnt; Jäggi ist Gastgeber in seinem Landhaus im nahen St. Germain [Ez-Zahra]. Der Ort und die Villa am Meer sind seither eine Größe im Gelände der Kunst.

Louis Moilliet, St. Germain bei Tunis, 1914,

Die Ausstellung im Berner Zentrum Paul Klee erklärt den Ausgangspunkt der beiden Maler, auf die sie sich vor allem fokussiert: Klee und Macke. Um zu sehen, was Tunesien für sie bedeutete, muss man wissen, von wo sie kamen. Macke schwelgte in den Farbordnungen Robert Delaunays. Und dessen koloristischen Kubismus rezipierte auch Klee. Klee ist derjenige, der sein Reiseziel am klarsten definiert: das Bild als Gleichnis des Motivs auf der wohlerwogenen Basis der künstlerischen Mittel. Im Tagebuch drückt er dies schon für den Moment der Ankunft aus: "Die Synthese Städtebauarchitektur – Bildarchitektur in Angriff genommen." Und auch die Landschaft wird ihm am Strand von St. Germain gleich zur Architektur aus Farben. Klee, der von der satirischen Zeichnung kam, findet Selbstbestätigung im neuen Farbensehen.

Klee, Ansicht von Kairouan

An der Schausaalwand ist sein Wort vom "Farbklavier" zu lesen, seine Maxime vom freien Spiel auf den "Aquarellnäpfen". Im Tagebuch der Reise liegen die bekannten Sätze aufgeschlagen: "Die Farbe hat mich . . . Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler." Damit hat Klee der Tunisreise den Mythos gestiftet. Und es nimmt ihr nichts von ihrer Bedeutung, wenn dies Heureka doch womöglich erst nachträglich in die Notizen kam, als Klee sie Anfang der 20er Jahre redigierte. Die gemalten "schönen Grüße aus dem Lande Afrika" (Klee) bestätigen gleich dreißigfach, was die Worte sagen. Der neuen Motivwelt tritt da einer mit der klaren Reflexion einer Bildstruktur gegenüber. Die Architektur des Orients, die üppige Pflanzenwelt in den Gärten, der lichte Raum der Wüste, das alles animiert den Augenmenschen. Fordert den Maler. Und der hat die Mittel und den Verstand, nicht einfach nur überwältigt zu wirken.

Macke, Kairouan

Da ist zum Beispiel das zarte Farbfeldgemäuer einer Ansicht von St. Germain mit den eingestreuten Formkürzeln, die für die Dinge stehen: Bauten und Pflanzen. Da ist der "Südliche Garten", der seine Farbpracht in dezente Dämmerung hüllt. Und die Kuppeln und Zinnen von Kairouan zaubern einen Rhythmus an den Horizont. Klee malt mit einer leichten Selbstverständlichkeit Bilder, die sich selbst genügen. Und die wie ganz von sich aus auf etwas hindeuten. Hier unterm afrikanischen Himmel gelingt die farbige Fassung dessen, was der Maler die "Genesis" des Bildes nennt. Sein Werden wird anschaubar. Macke, der schon vorher so weit war, das Bild als Gefüge der Farben zu denken, bleibt dies Abstrakte doch eher eine Übung, auf der sich die Erzählung dann aufbaut. So hält er – immer auch ein "Impressionist"– geschwind und sicher in Wasserfarben unmittelbare Eindrücke fest: von Jäggis Veranda, von Straßen und Märkten, Menschen und Tieren. Das alles ist in schöner Breite ausgeführt, während Klee die Pointe sucht. Seine Dromedare sind dann so eine: wandelnde Pyramiden auf Beinen.

Macke, Gartentor

Klee ist der erste, den es schon nach zehn Tagen zum Aufbruch drängt, in dem Gefühl, dass die Reise gebracht hat, was sie sollte. Macke, der ihm mit Moilliet ein paar Trage später folgt, bleibt wenig Zeit, den gesammelten Motivschatz noch auszuarbeiten. Die Ausstellung zeigt noch kleine Gemälde von ihm, eine Caféhausszene und einen "Türkischen Schmuckhändler". Moilliet, der im Gegensatz zu den beiden andern im April 1914 eher unproduktiv war, kommt sechs Jahre später wieder und lässt erkennen, dass die gemeinsame Reise ihn geprägt hat. Für Klee ist sie ein Stoff noch für lange. Hammamet und Kairouan bleiben gegenwärtig. Er hatte sich vollgesogen, jetzt schöpft er aus diesem Vollen. Er, der gern mit der Vorstellung spielt, ein halber Orientale zu sein, malt vieles "Arabische" und "Orientalische". "Teppiche" und enigmatische Bildlyrik in Form von verschleierten Frauen. Und die südliche Frucht ist jetzt seine: die Farbe. So endet die Ausstellung nicht im Frühjahr 1914, sondern in seinem Todesjahr 1940 erst.

Zentrum Paul Klee, Bern. Bis 22. Juni, Di bis So 10–17 Uhr.  Katalogbuch: "Die Tunisreise 1914", Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2014, 333 S., 29,80 Euro. 

 Klee, Teppichbild 1927

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