Der Mann mit Zylinder
Die Ausstellung «Horizont Jawlensky» im Museum Wiesbaden
Die Ausstellung «Horizont Jawlensky» im Museum Wiesbaden
von Angelika Affentranger-Kirchrath
Unter dem Titel «Horizont Jawlensky» feiert das Museum Wiesbaden den 150. Geburtstag von Alexei von Jawlensky mit einer besonderen, ebenso grossen wie grossartigen Ausstellung.
Unter dem Titel «Horizont Jawlensky» feiert das Museum Wiesbaden den 150. Geburtstag von Alexei von Jawlensky mit einer besonderen, ebenso grossen wie grossartigen Ausstellung.
Zum 150. Geburtstag von Alexei von Jawlensky richtet das Museum Wiesbaden dem Künstler eine grosse Ausstellung aus. Das Haus ist dazu prädestiniert, beherbergt es doch den weltweit reichsten Bestand an Werken des 1941 in Wiesbaden verstorbenen Künstlers. Das Museum rollt das Werk nicht etwa in einer Retrospektive auf, es legt den Fokus ganz bewusst auf die Vorkriegsjahre, zeigt die Kontakte Jawlenskys mit anderen Künstlern auf, die ebenfalls mit herausragenden Werken vertreten sind. Die Ausstellung verfolgt Jawlenskys Weg vom begabten Realisten zum vielbeachteten expressionistischen Maler, der sich in die Kunstgeschichte eingeschrieben hat.
Jawlenski, Bauerngarten, 1907
Kühne Malweise
Distanziert und kritisch blickt
uns der 40-jährige Künstler in seinem «Selbstbildnis mit Zylinder» an.
Kein Zweifel, er hat sich schöngemacht für dieses Bild. Er trägt ein
weisses Hemd mit hellroter Krawatte und auf dem Kopf einen schwarzen
Zylinder, der das Schwarz vom Wams aufnimmt und das ins Zentrum gesetzte
Gesicht in Dreiviertelansicht rahmt. Jawlensky hat es aber nicht in
erster Linie auf eine Selbstdarstellung abgesehen, vielmehr will er am
eigenen Gesicht als Motiv seine kühne Malweise unter Beweis stellen. Das
Bild verdeutlicht, wie intensiv er sich mit der Malerei seiner Zeit
befasst, wie er diese recht eigentlich auf- und abgearbeitet hat. Im
flackernd flirrenden Strich, ein jeder eine expressive Geste, zeigt sich
seine direkte Bezugnahme auf van Gogh, der denn in der Ausstellung auch
mit dem beeindruckenden Porträt «Armand Roulin», 1888, vertreten ist.
Jawlenskys Selbstbildnis beruht aber auch auf seiner Nähe zu den Künstlern der Fauves, unter ihnen ist ihm Matisse besonders nahe, sowie auf der Beschäftigung mit den pointillistischen Bestrebungen eines Paul Signac. Und doch ist Jawlensky unverkennbar er selber: Er konzentriert sich in Komposition und Farbwahl auf das Wesentliche. Zudem gibt er sich nicht etwa als Bohémien, sondern im Habitus des vornehmen Herrn mit Zylinder, der sich seines Adelsstandes bewusst ist.
Alexej Jawlensky, Selbstbildnis mit Zylinder, 1904
Inspirierendes Lebensumfeld
Der Familientradition folgend,
besuchte der 1864 im russischen Torschok geborene Alexei die
Militärakademie in Moskau. Erste tief sich einprägende Museumserlebnisse
machten ihm bewusst, dass er die Künstlerlaufbahn einschlagen musste.
Er tat dies unbeirrt. In St. Petersburg besuchte er die Kunstakademie
und verabschiedete sich vom Militär. Hier lernte er den in Russland
gefeierten Maler Ilja Repin und dessen Meisterschülerin Marianne von
Werefkin kennen. Sie sollte über viele Jahre hinweg seine künstlerische
Weggefährtin werden. Mit Werefkin siedelte er denn auch 1896 nach
München über. Diese Stadt, neben Paris und Berlin ein vibrierender
Brennpunkt für neueste künstlerische Entwicklungen, bot ihm in jeder
Hinsicht das ersehnte inspirierende Lebensumfeld.
Marianne von Werefkin, Selbstbildnis
In einer grossbürgerlichen Wohnung an der Giselastrasse führte die Werefkin bald einen Salon, in dem alles, was in der damaligen Kunstszene Rang und Namen hatte, ein und aus ging. Der Horizont weitete sich, die Kontakte wurden rasch international. Alexei von Jawlensky besuchte in München die Malschule des für seine pädagogischen Fähigkeiten bekannten slowenischen Malers Anton Azbe. Hier begegnete Jawlensky auch Wassily Kandinsky, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird.
In einer grossbürgerlichen Wohnung an der Giselastrasse führte die Werefkin bald einen Salon, in dem alles, was in der damaligen Kunstszene Rang und Namen hatte, ein und aus ging. Der Horizont weitete sich, die Kontakte wurden rasch international. Alexei von Jawlensky besuchte in München die Malschule des für seine pädagogischen Fähigkeiten bekannten slowenischen Malers Anton Azbe. Hier begegnete Jawlensky auch Wassily Kandinsky, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird.
Jawlenski; Titel? Datum?
Jawlenskys Werk ist einem Strom vergleichbar, der sich seinen Weg bahnt und dabei mehr in die Tiefe denn in die Weite wächst, in seinen Anfängen aber durch zahlreiche Flüsse und Nebenflüsse gespeist wird. Hier setzt die Wiesbadener Ausstellung an und geht aufmerksam diesen Flüssen nach, die in Jawlenskys Frühwerk gemündet haben. Überrascht musste Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Herausgeber des wissenschaftlich fundierten Katalogbuchs, feststellen, dass noch niemand zuvor Jawlenskys Beschäftigung mit dem Münchner Leibl-Kreis nachgegangen ist, dessen Mitglieder eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne suchten. In der Gegenüberstellung des dunkeltonigen Bildnisses des «Malers Louis Eysen», 1870, von Wilhelm Leibl und
Jawlenskys «Helene Jugendporträt», 1894, wird die Nähe augenscheinlich. Spannend auch die Fährte, die nach Berlin führt, wo ihm der angesehene Maler Lovis Corinth, Mitglied der Berliner Secession, neue Horizonte eröffnete. Und dann natürlich omnipräsent die Offenbarung Paris: Mit Werefkin zusammen besuchte Jawlensky mehrmals Frankreich und legte dabei längere Halte in Paris ein. Er freundete sich mit Künstlern wie Kees van Dongen an und erwähnt in seinen «Lebenserinnerungen» einen Besuch im Atelier von Matisse. Selber war er in Paris mehrmals am Salon d'Automne vertreten und besuchte die epochalen Ausstellungen, die den Pionieren der modernen Malerei, van Gogh, Cézanne und Gauguin, gewidmet waren.
Jawlenskys Werk ist einem Strom vergleichbar, der sich seinen Weg bahnt und dabei mehr in die Tiefe denn in die Weite wächst, in seinen Anfängen aber durch zahlreiche Flüsse und Nebenflüsse gespeist wird. Hier setzt die Wiesbadener Ausstellung an und geht aufmerksam diesen Flüssen nach, die in Jawlenskys Frühwerk gemündet haben. Überrascht musste Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Herausgeber des wissenschaftlich fundierten Katalogbuchs, feststellen, dass noch niemand zuvor Jawlenskys Beschäftigung mit dem Münchner Leibl-Kreis nachgegangen ist, dessen Mitglieder eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne suchten. In der Gegenüberstellung des dunkeltonigen Bildnisses des «Malers Louis Eysen», 1870, von Wilhelm Leibl und
Jawlenskys «Helene Jugendporträt», 1894, wird die Nähe augenscheinlich. Spannend auch die Fährte, die nach Berlin führt, wo ihm der angesehene Maler Lovis Corinth, Mitglied der Berliner Secession, neue Horizonte eröffnete. Und dann natürlich omnipräsent die Offenbarung Paris: Mit Werefkin zusammen besuchte Jawlensky mehrmals Frankreich und legte dabei längere Halte in Paris ein. Er freundete sich mit Künstlern wie Kees van Dongen an und erwähnt in seinen «Lebenserinnerungen» einen Besuch im Atelier von Matisse. Selber war er in Paris mehrmals am Salon d'Automne vertreten und besuchte die epochalen Ausstellungen, die den Pionieren der modernen Malerei, van Gogh, Cézanne und Gauguin, gewidmet waren.
Jawlenski, Stillleben mit bunter Decke, 1910
Mit jedem von diesen «Übervätern» befasste er sich eingehend. Van Gogh lehrte ihn die freie Pinselschrift, Cézanne den klaren Bildbau und Gauguin die glühend starke Farbigkeit und die schwarze Umrandung der Figuren. Diese Künstler sind denn auch alle mit erstrangigen Exponaten in Wiesbaden vertreten. Und immer wird bewusst: Jawlensky vermag neben ihnen zu bestehen. Die Ausstellung macht das Schauen dank der durchdachten Hängung zum Erlebnis, hautnah verfolgt man den Werdegang Jawlenskys, der im Austausch mit den anderen er selber wurde.
Mit jedem von diesen «Übervätern» befasste er sich eingehend. Van Gogh lehrte ihn die freie Pinselschrift, Cézanne den klaren Bildbau und Gauguin die glühend starke Farbigkeit und die schwarze Umrandung der Figuren. Diese Künstler sind denn auch alle mit erstrangigen Exponaten in Wiesbaden vertreten. Und immer wird bewusst: Jawlensky vermag neben ihnen zu bestehen. Die Ausstellung macht das Schauen dank der durchdachten Hängung zum Erlebnis, hautnah verfolgt man den Werdegang Jawlenskys, der im Austausch mit den anderen er selber wurde.
Zuflucht am Genfersee
Beim Ausbruch des Ersten
Weltkriegs reisst der Horizont jäh ab. Jawlensky wird als Russe in
Deutschland zur Persona non grata und muss das Land mit seinen
Familienangehörigen innert 48 Stunden verlassen. Zuflucht findet er im
kleinen Fischerdorf St-Prex am Genfersee. Nachdem er sich von der
traumatischen Erfahrung etwas erholt hat, eröffnet er im Blick aus dem
Fenster seine radikal neue Malweise. Ganz auf sich gestellt, findet er
zum seriellen Prinzip, auf dem nicht nur seine in St-Prex begonnenen
Variationen beruhen, sondern auch alle seine späteren Folgen mit den
ikonenhaften Gesichtern.
Delaunay, Les fenêtres sur la ville
Die Ausstellung schliesst mit einigen dieser kleinformatigen zarttonigen Variationen, die in Robert Delaunays Fensterbild «Les fenêtres sur la ville», 1912, ein stimmiges Gegenüber finden. Und noch einmal hängt da ein Selbstporträt von Jawlensky, dieses Mal aus dem Jahr 1912. Das breitflächige Gesicht thront auf dem Hemdkragen wie auf einem Säulenschaft. Das Gesicht füllt beinahe die ganze Bildfläche, das Gesicht ist zur farbenprächtigen Palette geworden. Jawlensky geht nun ganz in der Malerei auf. Den Zylinder hat er abgelegt.
Die Ausstellung schliesst mit einigen dieser kleinformatigen zarttonigen Variationen, die in Robert Delaunays Fensterbild «Les fenêtres sur la ville», 1912, ein stimmiges Gegenüber finden. Und noch einmal hängt da ein Selbstporträt von Jawlensky, dieses Mal aus dem Jahr 1912. Das breitflächige Gesicht thront auf dem Hemdkragen wie auf einem Säulenschaft. Das Gesicht füllt beinahe die ganze Bildfläche, das Gesicht ist zur farbenprächtigen Palette geworden. Jawlensky geht nun ganz in der Malerei auf. Den Zylinder hat er abgelegt.
Horizont Jawlensky. Museum Wiesbaden. Bis 1. Juni 2014. Anschliessend in der Kunsthalle Emden. Katalogbuch € 30.-. Film zur Ausstellung € 15.-.
Jawlenski, Sommerabend in Murnau, um 1908/09
Nota.
"Hautnah verfolgt man den Werdegang Jawlenskys, der im Austausch mit den anderen er selber wurde" - hätten Sie so eine Trivialität in der NZZ erwartet? Ich nicht. Aber auch dieser
Beitrag, wie vermutlich noch ein paar folgende, gibt mir die Gelegenheit, Ihnen Bilder zu zeigen, auf die es in diesem Blog ja doch mehr ankommt als auf die Texte...
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen