Donnerstag, 6. März 2014

Schnell noch ein paar Nackte.

aus NZZ, 6. 3. 2014                                                                              Eros spannt seinen Bogen; römische Kopie nach Lysippos

Der Körper und der Geist
Ausstellungen antiker Kunst in Martigny und Genf

von Cornelia Isler-Kerényi · Wir sind zwar im Laufe unseres Bildungsweges daran gewöhnt worden, in der Begegnung mit antiker Kunst Darstellungen nackter Körper normal zu finden. Eigentlich müssten wir aber staunen. Nicht nur, weil auch im antiken Athen weder Männer noch Frauen nackt herumliefen. Sondern weil - ganz im Gegensatz zur christlich geprägten westlichen Kultur - Nacktheit und alles, was dazugehört, die Sexualität eingeschlossen, nichts Anrüchiges an sich hatte. Deshalb war sie mit Sakralem durchaus kompatibel: Statuen schöner nackter junger Männer bevölkerten zu Ehren der Götter zusammen mit vielen andersartigen Weihgaben die Heiligtümer und konnten auch, wenn es Luxusgesetze nicht verboten, zur Erinnerung auf Gräber aufgestellt werden.

 Diadumenos, römische Kopie nach Polyklet

Aus der Aufmerksamkeit der Künstler und der ursprünglichen Betrachter für den Körper leiten sich Stellungen und Bewegungen sowie das Zusammenspiel mit dem Gewand ab. Offensichtlich sollte durch seinen Körper - ruhig oder bewegt, nackt oder bekleidet, Mann oder Frau - der ganze Mensch zum Ausdruck kommen: sein Äusseres, seine soziale Stellung, sein Schicksal. Nach diesem sehr weit gefassten Gesichtspunkt hat das British Museum 134 Kunstwerke guter bis sehr guter Qualität der Fondation Gianadda zur Verfügung gestellt: Statuen, schwarz- und rotfigurige athenische Vasen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr., Statuetten aus Bronze und Ton, Goldschmuck, Paradewaffen. Die kleineren Objekte sind in übersichtlichen Vitrinen, die grösseren frei im Gang um den mittleren Lichthof nach allgemein formulierten Themen gruppiert: Die Schönheit des männlichen Körpers, Aphrodite und der weibliche Körper, Körper der Götter usw.

Venus von Knidos; römische Kopie nach Praxiteles. 

Im Lichthof leiten eine riesenhafte Büste und Vasenbilder des Herakles, des Vorbilds aller Sportler, zur lebensgrossen Statue des berühmten Diskuswerfers über: die aus der Villa des Kaisers Hadrian in Tivoli bei Rom stammende Marmorkopie der Bronze, die der Grieche Myron gegen 440 v. Chr. geschaffen hat. Daneben hilft das Modell des vorrömischen Zeusheiligtums von Olympia, sich den Schauplatz der glanzvollsten Sportwettkämpfe der Antike plastisch vorzustellen. In einem separaten Saal zeugen drei qualitätvolle Funde aus Grabungen im antiken Martigny eindrucksvoll von der Zugehörigkeit des Forums Claudii Vallensium zur klassischen Mittelmeerwelt. Während die Venus, eine verkleinerte Kopie der berühmten Aphrodite von Knidos des Praxiteles, bereits 1939 entdeckt worden war, sind die nicht ganz lebensgrossen Statuen des Apollon und des Herakles erst im Juli 2011 in einem privaten Anwesen in der Nähe des Forums zum Vorschein gekommen, wo sie nach Ausweis mitgefundener Münzen im 4. Jahrhundert n. Chr. vergraben worden waren.

Diskuswerfer; römische Kopie nach Myron

Hätte in Martigny eine chronologische Ordnung pedantisch gewirkt? Immerhin hätte es das Material ermöglicht, darzustellen, wie um 500 v. Chr. aus starren Formen zuerst bewegliche, dann organisch bewegte Körper entwickelt wurden: ein entscheidender emanzipatorischer Schritt, mit dem die griechischen Künstler über ihre grossen Vorgänger am Mittelmeer hinausgelangt sind.

Apoll mit Leier; römische Kopie

Unter diesen genoss die ägyptische Kultur bei den Griechen klassischer Zeit das grösste Prestige. Den Unterschied zwischen beiden Kunsttraditionen lässt nun die Ausstellung im Genfer Musée d'Art et d'Histoire klar hervortreten. Hier hat man ausgewählte Objekte der eigenen Sammlung mit langfristigen Leihgaben der privat entstandenen Fondation Gandur pour l'Art kombiniert. Diese stellt sich damit in die Reihe der seit über 150 Jahren aktiven Förderer des Museums, deren Beiträge sowohl in der Ausstellung wie im Katalog gewürdigt werden. Besonderes Gewicht erhält das Ägyptologen-Ehepaar Edouard und Marguerite Naville-De Pourtalès mit seiner Feldforschung zwischen 1882 und 1914 und der dazugehörenden eindrücklichen fotografischen und zeichnerischen Dokumentation.

 Herakles, römische Kopie

Die ansprechend präsentierte Ausstellung stellt sich mehrheitlich aus kleinformatigen Objekten der nahöstlichen Welt zusammen, deren Bezug zur sakralen Sphäre hervorgehoben wird. Den anderen Schwerpunkt bilden Köpfe von Ägyptens Mittlerem Reich bis zur späteren römischen Kaiserzeit: Die mehr oder weniger ausdrucksstarken Gesichter sollen den Betrachter von heute möglichst unmittelbar ansprechen.

La beauté du corps dans l'Antiquité grecque. Fondation Gianadda, Martigny. Bis 9. Juni 2014. Katalog Fr. 45.-.
Corps et esprits. Regards croisés sur la Méditerranée antique. Musée d'Art et d'Histoire, Genf. Bis 27. April 2014. Katalog Fr. 50.-.


Tête de Dionysos enfant, Ier-IIe siècle après J.-C.

Nota. 

Ich nutze noch schnell die Gelegenheit, ein paar antike Nackte zu zeigen, bevor die Sozialdemokraten in ihrer Eile, über ihrem Abgeordneten Edathy das Gras wachsen zu sehen, auch das verbieten.
JE

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