Mittwoch, 21. Januar 2015

Die Avantgarde riskieren.

aus nzz.ch, 21.1.2015, 05:00 Uhr                                                                                                                   Sisley - Pissarro - Monet

Paris widmet dem Galeristen Paul Durand-Ruel eine Ausstellung
Aus der Strasse der Bilder in die Welt
1897 zeigte das Musée du Luxembourg als erstes Pariser Museum den seit 1874 umstrittenen Impressionismus. Mittlerweile nur mehr Vitrine für Ausstellungen, ehrt es jetzt mit einer Schau prachtvoller Bilder einen grossen Förderer von Monet und Renoir.

von Peter Kropmanns 

Später haben sich viele der Meinung angeschlossen, bei Impressionisten handle es sich um ernstzunehmende Maler. Als ihre Leinwände noch nicht ganz trocken waren, gehörten aber nur wenige zu ihren Anhängern. Einer davon hiess Paul-Marie Joseph Durand-Ruel (1831–1922). Der in Paris geborene Galerist war durch das elterliche Geschäft für Künstlerbedarf, aus dem nach und nach eine Kunsthandlung geworden war, den Umgang mit Malern und ihren Werken von Kindesbeinen an gewohnt.

Mary Cassatt: «The Child's Bath», 1893.
Mary Cassatt: «The Child's Bath», 1893.

Risikoreiches Unterfangen

Schon um 1869, als Durand-Ruel mitten im damaligen Pariser Galerienviertel zwischen Boulevard des Italiens und Notre-Dame-de-Lorette ein Ladenlokal bezog, war die Konkurrenz gross. Sich in der Rue Laffitte niederzulassen, die auch «Strasse der Bilder» genannt wurde, war trotz den anzunehmenden Synergieeffekten ein Risiko. Er setzte zunächst auf Landschaften und Stillleben der Schule von Barbizon und des Realismus. Doch der kometenhafte Aufstieg des etwa gleichaltrigen Manet, der in den 1860er Jahren zur umstrittenen Figur des Pariser Kunstlebens geworden war und besonders die Jüngeren elektrisiert hatte, war ihm nicht entgangen. Und ebenjenen, dem bereits erfolgreichen Manet und den noch von der Hand in den Mund lebenden jungen Malern wie Renoir, wandte er sich nun zu.

Renoir, Danse a Bougival

Durand-Ruel öffnete ihnen seine grosszügigen und eleganten Galeriesäle, liess sie Ausstellungen zeigen und kaufte ihnen Werke ab. Seine Investitionen wurden als Wahnsinn belächelt, zumal er weder in Paris noch im europäischen Ausland viele Abnehmer dafür fand. Anders sah es, aber erst später, jenseits des Atlantiks aus. Deshalb entschloss er sich 1886, aus Anlass einer Reise nach New York, zur Gründung einer Dépendance an der Fifth Avenue in Manhattan.

Claude Monet: «The Artist's Garden in Argenteuil (A Corner of the Garden with Dahlias)», 1873.Claude Monet The Artist's Garden in Argenteuil (A Corner of the Garden with Dahlias)  1873.

Jetzt widmet ihm seine Heimatstadt eine sehenswerte, aus knapp neunzig, zumeist hochrangigen Gemälden bestehende Schau, bei der er zu Recht im Mittelpunkt steht. Denn jede Geschichte der französischen Moderne verweist auf seine Rolle als Pionier. Aus der Strasse der Bilder in die Welt und nun für kurze Zeit zurück nach Paris: Viele Leihgaben kommen aus London und vor allem aus den USA, wo die Hommage anschliessend gezeigt wird. Zu sehen sind Bilder von Delacroix, Millet, Rousseau oder Courbet, besonders aber Arbeiten seiner jungen «Zöglinge». Zu den vertretenen Künstlern gehören Cassatt, Cézanne, Degas und Morisot; prominent beteiligt sind Manet, Monet, Pissarro und Renoir. Die Vielzahl der Gemälde Renoirs, darunter das starke «Fin de déjeuner» aus Frankfurt, weisen auf die besondere Nähe zu Durand-Ruel, der erst seine Söhne und Töchter, dann sich selbst von Renoir porträtieren liess. Leihgaben aus Berlin, wohin Durand-Ruel 1883 erstmals Werke der Impressionisten sandte, illustrieren, dass seine Kapital, Ausdauer und Nerven fordernde Strategie in den 1890er Jahren, als sich das Interesse an der Erwerbung von Impressionismus verstärkte und er der entsprechend bestplacierte Kunsthändler weit und breit war, aufging: 1896 verkaufte er einen Manet, 1897 einen Cézanne an die Nationalgalerie auf der Museumsinsel.

Paul Cézanne Le Moulin de la Couleuvre à Pontoise 1881.

«Eine merkwürdige Behausung»

Das Archiv der Galerie ist erhalten und wird heute von Nachkommen in der Nähe des Triumphbogens an der Avenue de Friedland gepflegt. Bei der Vorbereitung der jetzigen Schau konnte es mit präzisen Informationen und in Vitrinen zu sehenden Dokumenten dienen, darunter Korrespondenzen und Inventare. Die Ausstellung widmet sich natürlich der Galerie und zeigt Werke, die für sie erworben und nach manchmal langem Verharren in ihren Magazinen veräussert wurden. Durand-Ruel gewinnt jedoch auch privat an Kontur. Als Galerist pflegte er Umgang mit der Bohème und unterstützte deren progressive Vorstellungen von einer modernen Gesellschaft. Als Privatmann – Vater von fünf Kindern, der mit 40 Jahren Witwer wurde und mit 61 Jahren den Tod seines zweitältesten Sohnes zu beklagen hatte – war er dagegen ein Nostalgiker, der die Republik als dekadent empfand. Die politischen Kontakte, die der Royalist pflegte, waren ebenso Ausdruck dieser Haltung wie das Mobiliar, in dem er lebte. Unter dem rocailleverzierten Stuckplafond hingen Kristalllüster, die Fauteuils, wie sie im Ancien Régime Mode waren, ins rechte Licht rückten. Die Wände aber waren Bildern vorbehalten, denen er Treue geschworen hatte: «Eine merkwürdige Behausung eines Kunsthändlers des 19. Jahrhunderts ist die von Durand-Ruel. Eine riesige Wohnung an der Rue de Rome, vollgestopft mit Bildern von Renoir, Monet, Degas usw., mit einem Schlafzimmer, über dessen Bett ein Kruzifix hängt», notierte Edmond de Goncourt 1892.

Alfred Sisley: «Bridge at Villeneuve-la-Garenne», 1872. Alfred Sisley, Bridge at Villeneuve-la-Garenne,1872.

Die Ausstellung gibt Einblick in die Ausstattung seiner Gemächer, die nicht nur ausgewählten Gästen, sondern allen an der Moderne interessierten Besuchern zumindest an einem Jour fixe durchaus offenstand. Seine Wohnung galt zu einer Zeit, als der Impressionismus noch nicht anerkannt war, als «wunderbarstes Museum zeitgenössischer Malerei, das man sich in Frankreich vorstellen kann». Tatsächlich gab es in Paris lange keinen Ort, schon gar nicht ein Museum, an dem die heute längst zu Klassikern avancierten Werke permanent zu sehen waren. Das änderte sich erst 1897, mit der Eröffnung jener Säle im Musée du Luxembourg, in denen fortan Gemälde aus der Kollektion des Malers und Mäzens Gustave Caillebotte präsentiert wurden. Das 1937 geschlossene, 1979 zur Vitrine für Ausstellungen umfunktionierte Musée du Luxembourg hat die jetzige Schau ansprechend in Szene gesetzt und thematisch strukturiert. So evoziert ein Ensemble die von Durand-Ruel organisierten Monet-Ausstellungen 1883 und 1892: Bilder, die bei unterschiedlichen Stimmungen Pappeln am Ufer der Epte zeigen, erinnern daran, dass Monets Serien meistens erstmals bei Durand-Ruel zu sehen waren, bevor sie andernorts für Ablehnung oder Begeisterung sorgten. Das Elend der frühen Jahre war damals überstanden, doch Monet vergass nicht, mit wessen Hilfe: «Ohne Durand wären wir verhungert, wir Impressionisten alle. Wir verdanken ihm alles», liess er 1924 wissen.

Paul Durand-Ruel. Le pari de l'impressionnisme. Musée du Luxembourg, Paris. Bis 8. Februar 2015. Anschliessend in der Londoner National Gallery und im Philadelphia Museum of Art. Katalog € 35.–.

Manet, L'enfant a l'epee

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