Kleine Lösung, grosse Hoffnung In München ist eine Ausstellung über gemeinschaftliche afrikanische Architektur zu sehen
Die Pinakothek der Moderne in München zeigt
alternative Architektur aus Afrika. Diese öffentlichen Bauwerke sind oft
klein dimensioniert und setzen auf traditionelle Techniken. Sie stammen
von afrikanischen und westlichen Architekten.
von Judith Leister
Sie heissen Appolonia, Cité du
Fleuve, King City, Konza City, Tatu City oder Kilamba, und sie
werden immer mehr. Das Tempo, mit dem die Trabantenstädte um die urbanen Zentren Afrikas wachsen, kann sich mit jenem der boomenden Megalopolen Asiens messen. Die für die afrikanische Mittelschicht meist von ausländischen Investoren realisierten Wohnblöcke und Quartiere schaffen neue Realitäten: Millionen Menschen werden an die Stadtränder gedrängt. 61 Prozent der afrikanischen Stadtbevölkerung leben in Slums. Alternativlösungen zum Bauen nach westlichem Vorbild entwirft die Ausstellung «Afritecture - Bauen mit der Gemeinschaft», die derzeit im Architekturmuseum der Technischen Universität in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen ist. Sechsundzwanzig Projekte aus der Subsahara-Region führen eindringlich vor Augen, dass es zwischen Hochhaus- und Reihenhausarchitektur auch Raum für alternative Ideen und Entwürfe gibt.
Die schwimmende Schule von Makoko bei Lagos
werden immer mehr. Das Tempo, mit dem die Trabantenstädte um die urbanen Zentren Afrikas wachsen, kann sich mit jenem der boomenden Megalopolen Asiens messen. Die für die afrikanische Mittelschicht meist von ausländischen Investoren realisierten Wohnblöcke und Quartiere schaffen neue Realitäten: Millionen Menschen werden an die Stadtränder gedrängt. 61 Prozent der afrikanischen Stadtbevölkerung leben in Slums. Alternativlösungen zum Bauen nach westlichem Vorbild entwirft die Ausstellung «Afritecture - Bauen mit der Gemeinschaft», die derzeit im Architekturmuseum der Technischen Universität in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen ist. Sechsundzwanzig Projekte aus der Subsahara-Region führen eindringlich vor Augen, dass es zwischen Hochhaus- und Reihenhausarchitektur auch Raum für alternative Ideen und Entwürfe gibt.
Die schwimmende Schule von Makoko bei Lagos
Gemeinsam mit der Bevölkerung
Zunächst aber heisst es beim
Betreten der Ausstellung: Schuhe aus! Auf Strümpfen tastet man sich
durch die Ausstellungslandschaft aus beigefarbenem Karton, in der neben
Projektvideos auch Fotos, Texte, erklärende Comics und Baupläne von
öffentlichen Bauten - Krankenhäusern, Kulturzentren, Schulen,
Sportanlagen oder Wohnprojekten - aus Ländern wie Burkina Faso, Kenya,
Mali, Nigeria, Rwanda oder der Republik Südafrika gezeigt werden. Oft
entstanden die Gebäude in Gemeinschaftsarbeit; immer jedoch sind sie so
angelegt, dass sie in Eigenregie gepflegt und erhalten werden können.
Traditionelle Bauweisen und lokale Materialien wurden mit innovativen
Techniken kombiniert. Entscheidend ist: Die Projekte wurden nicht
oktroyiert, sondern gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt. So stärken
sie nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern auch das lokale Handwerk
und ermöglichen in gewissem Umfang sogar Kleingewerbe.
Der Münchner Architekt Dominikus Stark baute dieses Ausbildungszentrum in Ruanda
Die Bauten sichern oft die
grundlegende Infrastruktur. Die Kibera Public Space Projects in Nairobi
fussen auf der Initiative von sechs Harvard-Studenten, die in dem Areal
durch die Befestigung des Flussufers, durch eine öffentliche WC-Anlage
und eine Kanalisation die notwendige Hygiene sicherstellten. Beim
Projekt Marlboro South in Johannesburg kartierte ein deutsches
Architektenteam eine informelle Wohnsiedlung, die in alten Lagerhallen
entstanden war, und konnte so politischen Druck auf die Behörden
ausüben. In Rwanda schaffen Gemeinde- und Frauenzentren sowie Schulen
und Sportplätze Hoffnung für eine traumatisierte Nachkriegsgesellschaft.
Schulbau von Francis Kéré in Gando, Burkina Faso. Stroh-Lehm-Ziegel speicher die Hitze tagsüber und geben sie nachts ab. Klimaanlangen sind überflüssig.
Der aus Burkina Faso stammende Architekt Francis Kéré, bekannt durch sein zusammen mit Christoph Schlingensief konzipiertes Operndorf-Afrika-Projekt, initiierte in seinem Heimatort Gando den Bau einer Schule aus Lehm, der anschliessend Lehrerhäuser, eine Bibliothek und ein Frauenzentrum folgten (NZZ 8. 12. 10), und erhielt dafür den Aga-Khan-Preis, die wichtigste Architekturauszeichnung der muslimischen Welt. Eindrücklich ist die schwimmende Schule von Makoko, einem Slum im Stadtgebiet von Lagos. Die Siedlung mit ihren rund 150 000 Bewohnern steht zum grössten Teil auf wackeligen Pfählen im Wasser und wird regelmässig von Überschwemmungen heimgesucht. Ein nigerianischer Architekt hat nun ein leichtes, filigranes Schulhaus aus Holz entworfen, das sich dem Wasserstand flexibel anpasst. Im Rahmen des grossangelegten Lagos Water Community Project soll bald eine ganze Siedlung aus schwimmenden Häusern entstehen.
Schulbau von Francis Kéré in Gando, Burkina Faso. Stroh-Lehm-Ziegel speicher die Hitze tagsüber und geben sie nachts ab. Klimaanlangen sind überflüssig.
Der aus Burkina Faso stammende Architekt Francis Kéré, bekannt durch sein zusammen mit Christoph Schlingensief konzipiertes Operndorf-Afrika-Projekt, initiierte in seinem Heimatort Gando den Bau einer Schule aus Lehm, der anschliessend Lehrerhäuser, eine Bibliothek und ein Frauenzentrum folgten (NZZ 8. 12. 10), und erhielt dafür den Aga-Khan-Preis, die wichtigste Architekturauszeichnung der muslimischen Welt. Eindrücklich ist die schwimmende Schule von Makoko, einem Slum im Stadtgebiet von Lagos. Die Siedlung mit ihren rund 150 000 Bewohnern steht zum grössten Teil auf wackeligen Pfählen im Wasser und wird regelmässig von Überschwemmungen heimgesucht. Ein nigerianischer Architekt hat nun ein leichtes, filigranes Schulhaus aus Holz entworfen, das sich dem Wasserstand flexibel anpasst. Im Rahmen des grossangelegten Lagos Water Community Project soll bald eine ganze Siedlung aus schwimmenden Häusern entstehen.
Vielversprechender Kurswechsel
«Afritecture» ist die erste Ausstellung von Andres Lepik, dem neuen Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität in der Münchner Pinakothek der Moderne. Lepik, der vorher Kurator am Museum of Modern Art in New York war, setzte bereits Akzente mit Ausstellungen jenseits der «Starchitecture». Er fordert, dass die «hochspezialisierten Gestaltungsfähigkeiten» von Architekten der globalisierten Gesellschaft stärker zugutekommen. Wichtiger als «Luxusprodukte der Architektur» seien neue Lösungen für Slums und Flüchtlingsströme. Dabei gehe es um die Kooperation mit der lokalen Bevölkerung und darum, «lehrend zu lernen». Der Kurswechsel an einem der wichtigsten Architekturmuseen Deutschlands verspricht interessant zu werden.
«Afritecture» ist die erste Ausstellung von Andres Lepik, dem neuen Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität in der Münchner Pinakothek der Moderne. Lepik, der vorher Kurator am Museum of Modern Art in New York war, setzte bereits Akzente mit Ausstellungen jenseits der «Starchitecture». Er fordert, dass die «hochspezialisierten Gestaltungsfähigkeiten» von Architekten der globalisierten Gesellschaft stärker zugutekommen. Wichtiger als «Luxusprodukte der Architektur» seien neue Lösungen für Slums und Flüchtlingsströme. Dabei gehe es um die Kooperation mit der lokalen Bevölkerung und darum, «lehrend zu lernen». Der Kurswechsel an einem der wichtigsten Architekturmuseen Deutschlands verspricht interessant zu werden.
Bis 12. Januar 2014. Katalog: Afritecture. Bauen mit der Gemeinschaft. Hrsg. Andres Lepik. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2013. 272 S., Fr. 49.40 (€ 38.- in der Ausstellung).
Schule in Gando, Burkina Faso
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