aus Die Presse, Wien, 14. 10. 2013
"Curated by": Extrem intellektuell, konzeptuell, ironisch
"Warum Malerei heute?" fragt sich Wiens ambitioniertes Galerienprojekt "Curated by" heuer parallel zur Viennafair. Internationale Kuratoren zeigen großteils Künstler, die man sonst in Wien nicht zu sehen bekommt.
von Sabine B. Vogel
So oft schon wurde sie als ewig gestrig totgesagt. Aber nicht nur Sammler und Galeristen, auch Künstler lieben die Malerei. Jetzt steht sie also im Mittelpunkt der „Curated by“-Reihe. Letztes Jahr unter dem wirren Thema „Ästhetik und Biopolitik“ veranstaltet, stellen sich heuer 20 eingeladene Kuratoren in 20 Wiener Galerien die Frage „Why Painting Now?“
Warum dafür Kuratoren notwendig sind, wo doch Galeristen bereits Spezialisten sind? Weil dadurch das Spektrum der hauseigenen Künstler überschritten, das Bekannte neu verknüpft und das lokale Netzwerk erweitert werden kann. Und vor allem, weil damit genau passiert, was der Viennafair heuer kaum gelungen ist: Wien zum spannungsreichen Zentrum von renommierter bis überraschend experimenteller Kunst zu machen – und das dank des traditionellsten aller Medien.
Zwischen Kitsch und Erhabenheit.
„Malerei ist das schwierigste Medium für Künstler, weil alles schon gemacht wurde“, erklärt Kurator John Peter Nilsson in der Kerstin Engholm Galerie die Situation. Daher könne Malerei heute nur „extrem intellektuell, konzeptuell oder ironisch“ sein. Also schickt er uns auf einem billigen Holzlaminatboden zu grellfarbigen „feministischen Attacken“ auf den abstrakten Expressionismus (Marianna Uutinens) und gegenständliche Malerei „zwischen Kitsch und Erhabenheit“ (Gles Rubsamen) – ob die Künstler diesen Einschätzungen zustimmen?
Voller Distanz nähert sich auch Franklin Melendez der Malerei in der Galerie Andreas Huber: All die Bilder dort seien gar keine Bilder, sondern Requisiten, Objekte oder andere Umschiffungen des heiklen Mediums. Einen poetischen Weg schlägt hingegen Jan Verwoert in der Galerie Martin Janda ein: „Seitwärts“ nennt er seine Richtung – von wo? Das wäre die spannende Frage, der man hier mit dem wunderbaren Bodenfries aus Keramikfliesen (Lucy Stein) oder frechen Skulpturen, die ein Theater der Malerei aufzuführen scheinen (Malin Gabriella Nordin), nachgehen kann. Ähnlich inspirierend auch die wilde Präsentation von „performativer Malerei“ bei Meyer Kainer (Ei Arakama) oder das subtile Ausloten von „Stoff und Stofflichkeit“ bei Charim (Gürsoy Dogtas). Beide Kuratoren zeigen uns „Malerei nicht als Medium, sondern als Praxis“, wie es Dogtas bezeichnet.
Gänzlich pragmatisch dagegen erledigt der für seine Neogeo-Malerei bekannte Künstler Gerwald Rockenschaub seine neue Aufgabe als Kurator und arrangiert bei Krobath Bekanntes (von Daniel Richter bis Andreas Slominski) nebeneinander. Es gebe ja genug, erklärt er. Er schaute sich im Lager einer anderen Galerie um. Die Auswahlkriterien? Er wollte nichts aus der „abstrakt-geometrischen Kiste“, erklärt er lapidar, sondern „Figuration und Disfiguration“. Schön, wenn es auch einmal so ganz ohne Zweifel geht.
Ebenfalls nur ein einziges Lager, dafür eine „Erfolgsgeschichte der Malerei“ (Marion Piffer Damiani) füllt als „Eine Art Salon“ die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman – aber eben leider alles nur aus den Beständen der Galerie. Wäre das nicht besser auf der Messe aufgehoben und stattdessen eine Kombination von Eigenem und Neuem wie etwa bei Hubert Winter gewagt worden?
Dort kombiniert Yve-Alain Bois zwei nahezu vergessene Positionen, die gerade neu entdeckt werden: die fragilen Skulpturen aus gespannten Fäden von Fred Sandback mit den minimalistischen Bildern von Martin Barré – beeindruckend, mit welch radikaler Einfachheit der Bildraum hier derartig weit über den Rahmen hinausgeht.
Bois schließt mit dieser Kombination nicht nur den Kreis vom Zweifel an der Malerei bis zur immer neuen Faszination, sondern bringt auch die lange Geschichte der Ablehnung auf den Punkt: „Heute aber, nach all den Jahren der aufgeblasenen Installationskunst, erscheinen Barré und Sandback geradezu als Propheten. Man zerstört keine Kunstgattung, indem man einfach vor ihr davonläuft!“
Curated by, bis 14. 11. 2013, alle Galerien Di–Fr 12–18, Sa 11–15
aus Der Standard, Wien, 10. 10. 2013
Müssen Bilder einmal sterben?
Wien - Why does anybody bother to paint? ist der Titel einer Videoinstallation der schwedischen Künstlerin Monika Marklinger in der Galerie Engholm, wo John Peter Nilsson eine Ausstellung kuratiert. Der Direktor des Moderna Museet Malmö ging davon aus, dass man das Medium heute auch jenseits von Leinwand und Öl reflektiert, und versammelte internationale Positionen, denen eine Antwort mit, aber auch ohne Farbe gelingt.
Es waren immer sehr ambitionierte Themen, denen man im Rahmen von curated by nachgegangen ist. Die fünfte Ausgabe des von Departure initiierten Projekts versucht unter dem Titel Why Painting Now? aktuelle malerische Fragen zu klären. Eva Maria Stadler, die curated by heuer zum zweiten Mal konzipierte, nahm die derzeit erhöhte Aufmerksamkeit für das Medium Malerei zum Ausgangspunkt. Ob sie den neuen Informationstechnologien etwas entgegenzusetzen vermag, ist ein Thema; ebenso das Verhältnis zwischen Bild, Text, Diskurs und Wahrnehmung oder die Frage, inwieweit sich trotz der langen, wechselvollen Geschichte überhaupt eine Neubestimmung vornehmen lässt.
Gemeinsam mit den eingeladenen, durchwegs hochkarätigen Kuratorinnen und Kuratoren sind die insgesamt 20 Wiener Galerien dazu angetreten, genau Letzteres unter Beweis zu stellen: So zeigt Performancekünstler und Kurator Ei Arakawa in der Galerie Meyer Kainer eigentlich Videos von Performances. In diesen sind jedoch Bilder von u. a. Jutta Koether, Amy Sillman integriert, die auf die Performances wiederum mit neuen Arbeiten reagierten.
Um die Grenzen des Tafelbildes zu sprengen, setzt außerdem die Galerie Charim auf Interdisziplinäres (Schnittstelle Malerei und textile Gestaltung), und die Grammatik des Mediums steht in den Galerien Kargl (Kurator Martin Prinzhorn), Krobath (Kurator Gerwald Rockenschaub) oder auch Hubert Winter (Kurator Yve-Alain Bois) im Zentrum.
Neben diesen eher formalästhetischen Zugängen werden in der Galerie Knoll auch die politisch aufgeladenen Bilder von Yelena Popova präsentiert. Freilich durften auch ein paar ältere, wichtige Bezugspunkte nicht fehlen: Das wäre zum einen sicher der belgische Maler Walter Swennen in der Galerie nächst St. Stephan. Dazu gehört aber auch Albert Oehlen, der nicht zuletzt mit Arbeiten wie Die abstrakten Bilder müssen jetzt sterben (Krinzinger Projekte) die Malerei am Leben erhielt.
"curated by": 11.10. bis 14.11.
Eröffnung 10.10., 18-21 Uhr in 20
Wiener Galerien für Gegenwartskunst www.curatedby.at
Nota.
Es tut mir leid, mehr Bilder sind im Internet bislang nicht aufzutreiben; vielleicht kommt ja noch was.
Wenn einer malen und es zugleich nicht lassen kann, ist er heute schlecht dran, das wissen wir. Aber nur, wenn diese beiden Bestimmungen zusammenkommen, ist es öffentliche Aufmerksam wert. Ob es sich also lohnt, nach Wien zu fahren, lässt sich aufgrund zweier nichtssagender Zeitungstexte kaum entscheiden.
JE
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