Montag, 15. September 2014
Mehr über Form und Inhalt.
Mancher Leser mag von meinem gestrigen Eintrag enttäuscht gewesen sein; die Überschrift ließ mehr erhoffen. Mehr ist in dem Thema aber nicht drin, jedenfalls nicht, wenn es um Kunst geht. Denn dies ist immerhin klar geworden: Es geht um das, was gemeint ist; ob es die Form bekommen hat, in der es ein anderer so verstehen kann, dass er es ebenfalls meinen könnte - nämlich sofern er es meint! An jener Bedingung führt nun nichts vorbei.
Eine Vorstellung in eine solche Form bringen, dass ein jeder sie sich zu eigen machen muss, ist Anspruch der diskursiven Rede; idealtypisch: die Wissenschaft. Nicht jede Vorstellung passt aber in diskursive Rede, und manch eine erweist sich geradezu als falsch, sobald man sie dort hineinzuzwingen versucht. Das liegt dann an den Vorstellungen! Die diskursive Rede ist wie ein Sieb. Sie hält nur fest, was festhaltbar ist. Man muss es immer auf den Versuch ankommen lassen, vorher kann man es nicht wissen. Aber man kann es, wenn man diskursiv eingeübt ist, ahnen. Die diskursive Rede hat ihre Regeln, und die akademischen Formen lassen wenig Freiheit.
Was diskursiv nicht festhaltbar ist, mag Gegenstand der Kunst werden. Deren Formen sind, spätestens seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, frei und - ja, so ist es - beliebig. Da gibt es kein Sieb. Der Publikumsgeschmack zeigt nur an, was "geht", und auch das muss man jedesmal wieder ausprobieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob irgendwer versteht, was gemeint ist. Wenn die Kasse stimmt, haben Form und Inhalt des öffentlichen Geschmacks zu einander gepasst, unabhängig von den Vorstellungen, die der Künstler sich gemacht hat. Es soll sogar den tragischen Fall geben (das kommt aber auch in diskursiver Wissenschaft vor), dass das große Publikum ganz etwas anderes versteht, als gemeint war, und es mit großem Beifall aufnimmt. Mancher Künstler macht aus der Not eine Tugend und behält die gewählte Form bei; immerhin als Geschäftsmann ist er dann erfolgreich. (Und wenn er Glück und die Kunst Pech hat, schließt sich sein Geschmack schließlich dem Publikum an.)
Letzteres kommt in diskursiver Wissenschaft nicht vor. Da will der Erfinder Recht behalten, und wenn er sein Leben lang in den Wind redet. Mit dem Künstler verbindet ihn die Hoffnung auf die Nachwelt.
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