Mittwoch, 3. September 2014

Zweimal Courbet.

aus Fondation Beyeler                                                                                                   Großes Alpenpanorama mit den Dents du Midi, 1877 

Der Herbst 2014 ist die „Saison Courbet“: Gustave Courbet, der grosse Künstler des Realismus und Revolutionär der Malerei, stammte aus dem Jura, dem Gebirge, das die Schweiz und Frankreich verbindet. Courbet blieb seiner Heimat immer verbunden. Er starb aber im Exil in der Schweiz, am Genfersee. Die Fondation Beyeler und das Musée d’Art et d’Histoire, Genf, veranstalten im Herbst 2014 zwei Ausstellungen, die dem Werk Courbets gewidmet sind. In Genf geht es um Courbets bisher wenig beachtete Jahre im Schweizer Exil. Die Fondation Beyeler zeigt Courbet als einen der ersten avantgardistischen Künstler.
 
 Verrückt vor Angst, Selbstporträt 1845


«GUSTAVE COURBET. LES ANNÉES SUISSES» im MUSÉE RATH 5. September 2014 – 4. Januar 2015

Die letzten Jahre, die Gustave Courbet vom 23. Juli 1873 bis zum 31. Dezember 1877, seinem Todestag, in der Schweiz verbrachte, wurden von der Kunstgeschichtsforschung bisher vernachlässigt. Lange waren die Spezialisten der Meinung, dass der kranke, durch sein Exil schwer gezeichnete Courbet nicht mehr der grosse Maler war, der die französische und europäische Malerei der 1840er-Jahre revolutioniert hatte. Dieses seinerzeit weit verbreitete Vorurteil beherrscht auch die heutige Kunstgeschichtsschreibung. 

Château Chillon
 
Der Blick auf Courbets Schweizer Jahre beschränkt sich in den ihm gewidmeten Ausstellungen meist auf ein paar wenige Werke, in den Monografien auf einzelne Absätze und auf die stets gleichen Kommentare über seinen Niedergang. Dennoch blieb Courbet weiterhin Courbet: ein aktiver Künstler, der malte, Werke ausstellte, ein intensives soziales Leben führte und sich für das künstlerische und politische Leben seiner Wahlheimat interessierte. 
 
 
Courbet, 2. v. r., mit schweizer Freunden

Die Ausstellung im Musée Rath vereint zum ersten Mal mehr als 70 Werke, die der Künstler in der Schweiz malte oder in sein Exil mitgenommen hatte. Indem sie diesen Abschnitt seines Lebens in den Mittelpunkt rückt, ermöglicht sie es, die Stellung des Exils innerhalb der Karriere des Meisters zu überdenken und auszuloten, welche Wirkung seine Präsenz am Genfersee auf die schweizerische Kunstszene ausübte. Wie die Schau zeigt, suchte Courbet – gestützt auf seine Vergangenheit als revolutionärer Maler und die von ihm weitergeführten Bildexperimente – trotz seiner Krankheit und der durch die endlosen Gerichtsprozesse ausgelösten Ängste eine erstaunliche Erneuerung seiner Kunst in die Wege zu leiten.

Meereswellen

 
«GUSTAVE COURBET» in der FONDATION BEYELER 7. September 2014 – 18. Januar 2015

Die Fondation Beyeler zeigt eine umfassende Ausstellung zu Gustave Courbet (1819–1877), die den Franzosen als einen der bedeutendsten Vorläufer der Moderne präsentiert. Seine Malerei wie auch seine Person entsprachen nicht mehr dem klassischen Verständnis von Kunst und Genie: Courbet brach bewusst Konventionen und wurde zum grossen Skandalkünstler des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht seine revolutionäre Maltechnik, die bis heute die Künstler fasziniert. Neben dem Pinsel setzte er vor allem auch das Palettmesser als Malwerkzeug ein und strich die Farbe bisweilen sogar mit den Fingern auf – damals eine ungeheure Provokation.

Meerufer bei Palavas

Die Ausstellung zeigt zunächst eine Auswahl seiner wichtigsten Landschaftsbilder. Seinen Darstellungen von Grotten, in deren Zentrum undurchdringliches Dunkel zu sehen ist, stehen seine Gemälde des ruhigen und bewegten Meeres, seine berühmten Wellen, gegenüber. Kein Maler vorher hat die Farbe Weiss so behandelt wie Courbet: Sie ist nicht nur Farbe, sondern scheint in seinen Winterbildern sogar die Materialität des Schnees anzunehmen. Eine Auswahl seiner Selbstporträts eröffnet die Ausstellung, die zudem auch seine faszinierenden Darstellungen von Frauenakten am Wasser zeigen wird. Eines der wichtigsten Bilder, sein berühmt-berüchtigtes Gemälde L’Origine du monde, wird in Europa zum ersten Mal ausserhalb Frankreichs gezeigt.


Nota.

Courbet ist mit gutem Grund ins schweizer Exil geflohen. Als Mitglied der Pariser Commune war er ins Pariser Zuchthaus Pélagie gekommen, aus dem er fliehen konnte. Die Schweiz lieferte ihn nicht aus. 

La Sainte Pélagie 1898

Aber er wurde für den Sturz der Vendôme-Säule persönlich verantwortlich gemacht und verurteilt, die Kosten für deren Wiedererrichtung zu tragen. Er musste mehr malen - und vor allem verkaufen - als je zuvor. Ob seine Malweise darunter gelitten hat (wie die des ebenfalls hoch verschuldeten van Goyen) ist neuerdings, dazu sollen beide Ausstellungen beitragen, umstritten. Aber die Sujets sind ungeniert marktgängig gwählt; Alpenpanoramen und immer wieder das von Lord Byron in ganz Europa berühmt gewordene Schloss Chillon. 


Selbstporträt in La Sainte Pélagie

Doch als Courbet Ende1877 starb, hatte er mit dem Abzahlen seiner Schulden noch gar nicht begonnen.

JE

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