Mittwoch, 18. September 2013

Die Antezedenz des Ästhetischen.

 Rainer Sturm, pixelio.de                                                                                                                                                                     aus Rohentwurf

Ästhetische Wahrnehmung unterscheidet sich phänomenal von andern Arten des Wahrnehmens dadurch, daß hier das Zur-Kenntnis-Nehmen von Sinnesdaten uno actu zusammenfällt mit deren Bewertung; während beim ‚verständigen’ Wahrnehmen die Sinnesdaten zunächst in Hinblick auf Begriffe (=vorgegebene Bedeutungs- komplexe) geordnet, und erst danach einem Urteil unterzogen werden. Das ästhetische Wahrnehmen erscheint insofern als primitiv, mindestens naiv, gegenüber dem sachlichen Verstehen von ‚Etwas’. Aber das ist eine optische Täuschung. Für den Verstand (cognitio) liegt die ‚Wertigkeit’ in der relatio des jeweils Wahrgenommenen mit anderen, früher Wahrgenommenen; und muß also, qua Reflexion, erst erdacht werden: nachträglich. Fürs ästhetische Wahrnehmen liegt der ‚Wert’ dagegen in der qualitas des Wahrgenommenen - und die "zeigt sich" als solche. (Wenn Max Scheler sagt, "Wertnehmung geht der Wahrnehmung voran", dann heißt das nur, daß sich die ästhetische Wahrnehmungsweise apriori "immer schon" ins verständige Wahrnehmen eingeschlichen hat - welches aposteriori kommt und allenfalls versuchen kann, erstere kritisch zu exorzisieren.) Insofern ist ästhetisches Wahrnehmen nicht ‚primitiv’, sondern ‚fundierend’; wenn auch nicht in jeglicher Hinsicht brauchbar.



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