Montag, 30. September 2013

Die Eigenbedeutsamkeit des Ästhetischen.

            skyrat, pixelio.de                                                                                                                                                   aus Über Ästhetik, Rohentwurf; 3

Das „Feld“ des Ästhetischen ist „konstituiert“ durch ein Problem: nämlich „daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität als einer reellen Idee liegt.“ Kant, Kritik der Urteilskraft in Werke (ed. Weischedel) Bd. X, S. 172 

...daß nämlich auf dem ‚Bild’ „mehr zu sehen“ ist, als es abbildet. Daß außer den (zahllosen) identifizier-, meß- und mitteilbaren Merkmalen „am“ Bild (=den digitalisierbaren Punkten auf dem Bildschirm, Pixels) noch etwas „Anderes“ „erscheint“; also daß „am“ Sinnlichen ein nicht-sinnlicher Überschuß „wahrnehmbar“ wird; nämlich (s)eine Bedeutung (alias Das Transzendente). 

 
Hardy5, pixelio.de

Namentlich die Gute Gestalt „sieht so aus, als ob sie uns was sagen will“, das mehr ist als nur ihr sachlicher Grund; etwa das Blattwerk der Pflanze; die aerodynamische Form des Vogels; die Rundung des Bachkiesels... Mehr ist als Zweckform und Ursache. 

Das war schon immer so. Aber es ist noch nicht immer aufgefallen. Sobald es aber auffiel (den alten Griechen nämlich), nannte man es „das Schöne“ und setzte es sogleich in ein logisch-genetisches Verhältnis zum Wahren; systematisch bei Plato/Plotin. Übrigens nicht zuerst das Kunstschöne - bei Plato ausdrücklich nicht: Sein Urbild des Schönen ist der schöne Knabe. Aber wiederum nicht, sofern er Natur (‚Werden’) ist, sondern sofern er an der Idee (‚Sein’) „teilhat“*. So in der Reflexion. Für Plato war der Knabe Inbild des Erotischen: ein außerästhetisches Motiv - diesseits der Reflexion. Oder ist das Erotische selber der „Stoff“ des Ästhetischen?! (In Platos - nachträglicher - Reflexion ist Eros der Drang zum Wahren und zum Schönen; welches beides dasselbe ist.)

 
joujou, pixelio.de

Die früheste „ästhetische Absicht“ glauben wir nicht in den Menschendarstellungen zu erkennen (Venus von Willendorf), sondern in Tierdarstellungen: Lascaux, Altamira. Ein Hinweis darauf, daß „das Kunstschöne vor dem Naturschönen da war“? (Die bloße „Natur“ - Landschaft und Stilleben (nature morte - die zwar „tot“, aber nicht „natürlich“ ist) - wird erst sehr spät, im 16. Jahrhundert in Holland, zum Gegenstand der Kunst.) - Ist aber Stilisierung allein schon „ästhetisch“**? (Dann auch bei der Venus von Willendorf!) Auf jeden Fall hebt sie ‚am’ Gegenstand dasjenige hervor, was seine (rituelle, mythische, logische, bedürfnismäßige) Bedeutung ausmacht! Ja, aber nicht, dass ‚an’ den Dingen noch eine ‚Bedeutung’ haftet, macht das Ästhetische aus, sondern daß sie als solche nicht abgebildet, nicht ‚dingfest’ gemacht werden kann! Also daß man sie nicht bestimmen kann. ... 

 
Martin Schemm, pixelio.de

*) Das Wirkliche, „die Erscheinung“ heißt bei Plato das Werden, die mindere, unvollständige Seinsweise; Sein ist (ewige Form=) Idee - das, was „in Wahrheit“ ist; und das, was ‚das Werdende’ werden soll: das, was es „bedeutet“.

**) Stilisierung = Entindividualisierung = ‚Wiederholbarkeit’; äußerste Stilisierung: das ‚Zeichen für...’; das allenthalben fungible ‚Bild von...’; das ökonomisierte; d. h.: entästhetisierte, anästhetisierte Bild.



Nota.

Dass man auf dem obigen Wolkenbild einen Vogel 'erkennen' kann, stört die ästhetische Wirkung.

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