Samstag, 21. September 2013

Über zeitgenössisches Künstertum; mit Seichtigkeit.

aus NZZ, 21. 9. 2013                                                                                                               KFM/pixelio.de

Renaissance ohne Mythos
Das Bild des Künstlers hat sich gewandelt - das führt auch zu ganz anderen Arten von Selbstbildnissen

Künstler und Künstlerinnen können sich heute über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beschweren - dafür sorgen auch Grossveranstaltungen wie Biennalen oder die Documenta in Kassel. Bild und Selbstbildnis des Künstlers aber haben sich gewandelt: vom Mythos zum umworbenen Bürger.

von Gabriele Hoffmann

Eigentlich haben wir die Autoren und Künstler nie so völlig aus dem Blick verloren, wie es nach Roland Barthes' berühmt gewordenem Text «Der Tod des Autors» zu erwarten war. Kann man das Schlagwort von 1968 vielleicht auch als Prophezeiung einer Wiedergeburt verstehen? Der italienische Maler und Baumeister Giorgio Vasari wurde mit seinen zwischen 1550 und 1568 verfassten Bänden «Le vite de' più eccellenti Pittori, Scultori e Architettori» der erste Kunsthistoriograf. Vasari erkannte aber auch - das zeigt der Titel -, dass Massstäbe für die Bewertung schöpferischer Leistung notwendig sind.

Mit Blick auf die Literaturgeschichte erreichte die Heroisierung des schöpferischen Menschen ihren Höhepunkt im Geniekult von Klassik und Romantik. Bei Herder ist der schöpferische Mensch das Ziel der göttlichen Schöpfung. Goethe verklärt das Genie in seinem «Prometheus». «Hier sitz' ich, forme Menschen / Nach meinem Bilde, / Ein Geschlecht, das mir gleich sei, / Zu leiden, weinen, / Geniessen und zu freuen sich, / Und Dein nicht zu achten, / Wie ich.» Es ist Goethes Bekenntnis zum autonomen Künstler, die Verklärung eines Schaffens, das dem humanen Leben Glanz verleiht und der Erfüllung durch eine religiöse Transzendenz nicht bedarf.

Dilettanten

Wie für Goethe ist auch für Kant Genie eine Naturgabe. «Da das Talent, als angeborenes produktives Vermögen des Künstlers, selbst zur Natur gehört, könnte man sich auch so ausdrücken: Genie ist die angeborene Gemütsanlage (ingenium) durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt» (Kant). Aufgewertet wird hier die Einbildungskraft, die in Konkurrenz zur Kraft der Nachahmung tritt (Kant).

Im 20. Jahrhundert proben Literaten und Künstler, darunter Hugo Ball und seine Freundin, die Chansonsängerin Emmy Hennings - zusammen gründen sie im Februar 1916 in Zürich das Cabaret Voltaire - den Aufstand gegen die schöne Kunst. Im Juli rezitiert Ball sein erstes Lautgedicht. Tristan Tzara gibt die Zeitschrift «Dada» heraus. Mit dem Plakat «Dilettanten erhebt euch gegen die Kunst» laden die Berliner Dadaisten 1920 zur «Ersten Internationalen Dada-Messe» in die Galerie von Dr. Burchard ein. Vom Dach hängt eine als Soldat verkleidete Puppe.

Ein «neues Männlichkeitskonzept»

Katrin Hoffmann-Curtius erinnert in ihrem Aufsatz «dada-monteure» daran, dass das Aufbrechen eines zementierten Kunst- und Künstlerbildes durch die als Antikunst auf Dekonstruktion festgelegte Montagetechnik der Dadaisten einem «neuen Männlichkeitskonzept» den Weg bereitete. «Angestrebt wurde ein einseitigeres Männlichkeitsideal, als es das holistische Konzept des 'ganzen Mannes' im 19. Jahrhundert verlangt hatte, das auch feminin konnotierte Bereiche wie Gefühl, Familiensinn und Geselligkeit mit eingeschlossen hatte.» Ob man wie Hoffmann-Curtius Hannah Höchs Collagen mit der weiblichen Nähe zum Küchenmesser und die gleiche Technik bei den männlichen Protagonisten Grosz und Heartfield mit einer Affinität zu Maschine und Verbrechen verknüpft, bleibt eine Frage der Interpretation.

1922 erschien «Bildnerei der Geisteskranken», ein Buch des Kunsthistorikers und Psychiaters Hans Prinzhorn als Begleitung zu seiner Sammlung von Zeichnungen, Gemälden und Objekten, geschaffen von Menschen in Kliniken und Heilanstalten. Thomas Röske konnte feststellen, dass sich unter den in der Prinzhornsammlung genannten Anstaltsinsassen Männer und Frauen befinden, die «ein Bewusstsein von Kunst und Künstlertum» besassen und sich in ihren Bildern mit Künstlerallegorien und Selbstdarstellungen befassten. Zu ihnen gehörte neben dem Zeichner Adolf Wölfli auch der von den Nazis ermordete Franz Karl Bühler, dem Prinzhorn eine ausserordentliche Begabung als «Bildner» attestierte. In dieser Tradition stehen die von Jean Dubuffet und André Breton unter dem Begriff «art brut» versammelten Werke von Laien, für die das gestaltende Arbeiten ein Medium der Selbsterfahrung war.

Einen nicht weniger neuen Künstler-Typus gebiert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs das Staatliche Bauhaus in Weimar. Das Manifest von Walter Gropius - ungefähr gleichzeitig mit dem des Blauen Reiters von Kandinsky und Marc - ist eine enthusiastische Absage an die traditionelle, hierarchisch strukturierte Akademieausbildung. Die Lehre, wie sie das Bauhaus verstand, räumte dem subjektiven «künstlerischen Willen» höchste Priorität ein.

Ein weiteres Ziel der Ausbildung war die Öffnung der gestalterischen Arbeit zur Alltagswelt. Bis heute fällt bei den Lobrednern des Bauhauses die Problematik dieser doppelten Zielsetzung oft unter den Tisch. Zur Gründungszeit 1919 war Demokratie in Deutschland noch eine politische Utopie, eine die Bauhäusler begeisternde Utopie, die nach ganz neuen ästhetischen Ideen und, was die Fertigung angeht, nach einer Revolution verlangte.

Kreativität statt Genie

Wer sich heute für eine Künstlerexistenz entscheidet, muss sich mit der aktuellen Struktur des Kunstsystems mit seinen unterschiedlichen Institutionen, aber auch mit den Möglichkeiten der Selbstorganisation auseinandersetzen, wenn ihm seine Autonomie als Künstler wichtig ist.

Das «Be Creative», so der Titel einer Ausstellung im Zürcher Museum für Gestaltung 2002/03, lässt sich in unserer neoliberalen Welt nicht mit einem Sonderstatus für Künstler und Künstlerinnen verbinden. Die Herausforderungen für künstlerische Kreativität bietet dem Einzelnen seine Umwelt, die heimische wie die globale, die selbst erfahrene wie die medial vermittelte fremde. In ihr wird er zu einer Art Mitarbeiter, der frei ist, sich selbst Aufträge zu geben - oder doch wenigstens ganz eigene Akzente im Planen und Handeln zu setzen.

Der deutsche Künstler Hans Haacke recherchierte 1971 die Geschäftspraxis der New Yorker Immobilienfirma Harry Shapolsky, indem er die öffentlich zugänglichen Unterlagen zur An- und Verkaufstätigkeit des Unternehmens auswertete. Die Fotografie und Text verbindende Arbeit «Shapolsky et al. Manhattan Real Estate Holdings, a Real-Time Social System as of May 1 , 1971» - eine Offenlegung der üblen Machenschaften des Unternehmens - war durch Inhalt und Form so brisant, dass das Guggenheim-Museum, das dem jungen Künstler eine Einzelausstellung angeboten hatte, diese kurz vor Eröffnung absagte, weil Haacke sich beharrlich weigerte, sein «Shapolsky-Projekt» zurückzuziehen. Das auch von Soziologen wegen seiner Schlüssigkeit gepriesene Werk erhielt durch die Absage des Museums in der Kunstwelt besondere Aufmerksamkeit.

Ungelöster Konflikt

Künstler waren einmal ein Produkt der Aristokratie, die sich mit Macht und Besitz nicht zufriedengeben wollte. Sie beauftragte Dichter, Maler und Musiker damit, ihrem Leben Glanz zu geben. Zur Geschichte der Bedeutungszunahme und -abnahme dieser Kunst für nachfolgende Generationen von Künstlern und Kunstliebhabern gehört im 19. Jahrhundert eine «Aristokratisierung» der Kunst. Sie begann mit der Selbststilisierung der Künstler als Gegner der Bourgeoisie. Die Gesellschaft war bereit, ihnen aufgrund ihres besonderen Talents eine Vorzugsstellung einzuräumen, zu der später auch die gesetzlich verbürgte künstlerische Freiheit gehörte. Diese Sonderstellung eines Kollektivs ist in der Demokratie nicht denkbar ohne das Prinzip der Entlohnung des Einzelnen entsprechend seiner Arbeit. Ein bis heute nicht wirklich gelöster Konflikt.

Um «Überschreitungen des 'autonomen' Künstlerbildes» ging es in einer Sektion des 2010 in Wien an der Universität für angewandte Kunst abgehaltenen Symposiums «Die Wiederkehr des Künstlers». Ein Beispiel für die Verweigerung des überlieferten Autonomiekonzepts, das die aus dem eigenen Innern schöpfende Kraft des Künstlers absolut setzt, ist das in diesem Jahr von Pedro G. Romero im Württembergischen Kunstverein realisierte «Archivo F.X. - Wirtschaft, Ökonomie, Konjunktur». Der Künstler hat sich dabei aus seinem Archiv zum antiklerikalen Ikonoklasmus während des Spanischen Bürgerkriegs 1936/39 bedient und das Material mit Avantgardekunst zu einer provokanten begehbaren Montage vereinigt.

Künstlerinnen 

«Die Kunstgeschichte muss die Figur des kreativen Individuums nicht für tot erklären, um in eine kritische Distanz zu ihr zu treten», sagt Peter Schneemann und fordert von den Kunsthistorikern, dass sie Künstlerrollen als Widerspiegelung von Wertsystemen und kompensatorischen Wünschen einer Gesellschaft wahrnehmen. Auf poststrukturalistisches Rütteln am Künstlermythos antworten Künstlerinnen mit einer eigenen Rhetorik der Rückkehr. Am augenscheinlichsten geschieht dies in den Selbstporträts von Cindy Sherman. Ihre «History Portraits» sind Selbstbilder mit entstellenden Prothesen für alle Körperzonen. Von Cindy Sherman bleibt da nicht viel übrig. Man spürt die Lust am Bildermachen auf Kosten der Unversehrtheit des eigenen Körpers.

Die Künstlerin Yoko Ono dürfte einer ähnlichen Neigung entsprochen haben, als sie sich in ihrer Performance «Cut Piece» (zuerst 1964) vom Publikum Stücke aus ihrer Kleidung schneiden liess. 1973 entstand «Hyperbulie», ein Film, für den die Österreicherin Valie Export sich nackt und unter Schmerzen einen Weg zwischen elektrisch geladenen Drähten bahnte.

«Die Frau als Bild»

Bei dem von Künstlerinnen geführten und von Kunstwissenschafterinnen begleiteten Diskurs über «die Frau als Bild» stösst man auf Irene Andessners Website (http://www.andessner.com) mit Selbstauskünften wie «i am productions» und «Ich bediene ein Bild der Frau, das sich andere machen». Die in Wien lebende Künstlerin ist zugleich auch Kunsthistorikerin. Wenn sich in ihrer «Bildtaktik» das traditionell Verführerische und Geheimnisvolle weiblicher Bildnisse mit überaus coolem Webdesign verbindet, funktioniert das Ganze wie Werbung für Markenartikel. Für Marion Hövelmeyer ist die Ambivalenz in Andessners Werk Anlass zur kritischen Frage: «Schreiben die gegenwärtigen Dekonstruktionen am und im Bild am Ende ein historisches Erbe fort, das den Status einer weiblichen Künstlerschaft seit je nihiliert?»

Eine diskursive Kunst 

Zum modernen Künstler- und Künstlerinnen-Habitus gehört neben der Nähe zu Wirtschaft und Politik auch die zur Wissenschaft. Karin Sander, die seit 2007 an der ETH Zürich lehrt, wählte für die Ausstellung «Skulptur. Projekte in Münster, 1997» eine Markierung des Schwerpunkts/Mittelpunkts von Münster. Das Ergebnis ist ein Punkt am Rande eines Privatgrundstücks, weit ausserhalb von Prinzipalmarkt und Rathaus, Münsters guter Stube. Berechnet hatten ihn Wissenschafter des Vermessungs- und Katasteramts der Stadt. Karin Sander markierte ihn mit einem roten Kreis vom Durchmesser 1,3 Meter, der exakten Fehlertoleranz der Messung.

Die Gleichsetzung von Genie und Männlichkeit und die damit verbundene Marginalisierung künstlerischer Arbeit von Frauen ist Geschichte. Kunstwissenschafterinnen und Künstlerinnen engagieren sich heute zusammen mit ihren männlichen Kollegen für eine diskursive Kunst, die vor der Rückkehr zum Künstlersubjekt alter Prägung bewahren soll.

Alexis Joachimides sieht die Künstler in ihrer öffentlichen Wahrnehmung als «multiple Persönlichkeiten». Neben staatlichen und privaten Institutionen mit unterschiedlichen Interessen - Galerien, Museen, Kunstmärkte, Sammler, Kritiker - muss die an Kunst interessierte Gesellschaft Künstler bei deren Identitätssuche unterstützen. Diese selbst haben allen Grund, in einer Welt, in der die Ökonomie das mächtigste Subsystem ist, um den Erhalt ihrer künstlerischen Autonomie zu bangen.

Literatur: Sabine Fastert, Alexis Joachimides, Verena Krieger (Hg.): Die Wiederkehr des Künstlers. Themen und Positionen der aktuellen Künstler/innenforschung. Köln, Weimar, Wien: 2011.


Nota.                                                                                                                            Gerhard Richter, Troisdorf

Wir leben in einer Epoche, wo  - nicht allein, aber auch nicht zuletzt - die Neuen Medien dafür sorgen, dass kein Bild mehr an die Öffentlichkeit gelangen wird, das nicht - so oder ein bisschen anders - schonmal dagewesen ist. Alles, was in der zeitgenössischen Kunst etwas taugt, von Gerhard Richter über Cy Twombly bis zu den amerikanischen Hyperrealisten, sind nur Variationen zu dem Thema Was kann man heute noch malen? Und ihr jeweiliger anschaulich-ästhetischer Gewinn besteht eben in der Variation und nicht im Werk. Mit andern Worten: Wenn es je sinnvoll gewesen wäre, 'Kunst' an der Qualität (Washeit) ihrer Produkte zu definieren - dann ist das heute vorbei.

Man hätte sagen können: Kunst ist eine bildnerische Praxis, die, wenn sie gelingt, die Augen der Zeitgenossen öffnet für ästhetische Qualitäten, die zuvor noch nicht sichtbar waren.

Das ist verführerisch, aber es ließ immer die Frage offen: Wer oder was entscheidet darüber, was in der Kunst gelungen ist und was mißraten? Und das ist ein Fass ohne Boden. Was Kunst ist, definieren zu wollen durch ihre ästhetische Qualität, läuft darauf hinaus, Kunst nicht definieren zu können. Und recht besehen war das auch der Zweck der definitorischen Übung; denn sie ging immer aus von den unmittelbar Interessierten: den Künstlern selbst und ihren... nun ja, Agenten. Diente das epochale Werk Giorgio Vasaris etwa nicht der Propagierung - Marketing heißt das heute - des aufkommenden Manierismus in der italienischen Malerei? Wird einer behaupten, er habe sich um 'Objktivität' überhaupt bemüht? Er postulierte die Maßstäbe, denen er in seinem eigenen Werk selber gefolgt war und weiter zu folgen gedachte. Anders ist Kunstgeschichte unter dieser Prämisse auch gar nicht möglich, und darum wurde sie auch niemals ohne Interesse betrieben.

Kunst war erstens ein sozialgeschichtliches Phänomen und wurde zweitens zu einer kulturellen Instanz. Da ist zuerst das Aufkommen des Künstlers als Phänotyp. Als Professioneller nämlich, zünftig organisiert und gegen andere Berufsgruppen privilegiert. So jedenfalls im Abendland, wo Kunst in specie entstanden ist, unterm Protektorat einer feudalen Amtskirche zunächst und bald auch zum Lob und Preis weltlicher Herrschaft. Ihre Entfaltung verdankt sie nicht unwesentlich ebendieser ambivalenten Stellung als Dienerin zweier Herrn mit konkurrierenden Interessen. Und erst recht ihren Aufstieg - parallel zum Aufstieg des Gelehrtenstandes - zur autoritativen Instanz, die wie die Wissenschaft eine autonome Stellung zwischen den Mächten geltend macht. Und nur darum konnte die eine nichts als die Wahrheit und die andere das Schöne selbst zu ihrem (fast) ausschließlichen Geschäft machen und den Zwiespalt des menschlichen Geistes als reflektierende Absicht und als zweckfreie Betrchtuung objektivieren. Wie der Erfinder und der Gelehrte erscheint der Künstler mit der Renaissance als Held, der mit den Aristokraten auf Du ist, seit die (in Italien) keine Blaublütler, sondern nur noch Parvenüs sind.

Natürlich hält diese Stellung der folgenden Entwicklung zur bürgerlichen Gesellschaft nicht stand, denn zwischen Bourgeoisie und Bourgeoisie ist schlecht schweben. Als Geschäftspartner stehen weder der Künstler noch der Gelehrte dem Kapitalisten ebenbürtig gegenüber, denn während Kirche und weltliche Herren auf die öffentliche Repräsentation ihrer Herrschaft durch Schönheit und Wissen dauerhaft angewiesen waren, kann der Bourgeois als Privatmann auf die Hohe Kunst verzichten und sich mit einem kitschigen Surrogat begnügen. Der Wissenschaftler konnte sich als Supervisor des Technikers unabkömmlich machen, was sich der Kapitalist als Geschäftsmann etwas kosten lässt, aber dem Künstler blieb nur das Abenteuer der Bohème; wenn er nämlich auf der Kunst um ihrer selbst willen beharrte und sich zum Serienfertiger wohlfeiler Massenware zu vornehm blieb. (Vorher gab es keine Unterscheidung zwischen Kunst und Kitsch).

So entstand die Avantgarde, seit der Romantik eigentlich, und der Romantiker verstand den Künstler als Genie, und rückblickend verklärte Ludwig Tiecks Franz Sternbald noch den Zunftgesellen der mittelalterlichen Malerwerkstatt dazu.

Als Kunst gilt seit rund hundert Jahren nur noch das, was zu der Frage Ist das überhaupt noch Kunst? Anlass gibt. Kunst ist avantgardistisch - oder akademische Afterkunst. In den fünfziger, sechziger Jahren waren erkennbare Gegenstände auf den Bildern regelrecht untersagt. Abstrakt war nicht erst die Avantgarde, sondern noch der Tross.

Die Abstraktion musste sich bald totlaufen, denn bloße Farben und Formen sind erschöpflich, und Varianten im Mikrobereich sind irgendwann langweilig. Bleibt das dekorative Bemalen von Leinwänden ind Wandgröße, aber originell ist das nun auch nicht mehr. Wohl oder übel müssen die Gegenstände wieder hergenommen werden - wenn man schon das Malen nunmal nicht lassen kann. Welch eine Verlegenheit! Man sieht sie allenthalben. Ihr von Sotheby und Christie's gekrönter König ist Gerhard Richter, der offenkundig alles kann (wie kein zweiter), aber ebenso offenkundig nicht weiß, was er wollen soll.

Merke: Das Tafelbild hat es nicht immer gegeben. 

*

Ach, dies noch zum Schluss: Von Männern und Frauen zu reden war bei diesem Thema kein Anlass. Aber es gibt eben LeutInnen, die brauchen dafür keinen Anlass.

J.E.

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