Sonntag, 22. September 2013

Les fleurs du müll.

aus Badische Zeitung, 21. 9. 2013

Schrottagen und Fleurs du Muell
Ungewöhnliche Bildwerke mit Fundstücken zeigt der in Wiechs lebende Künstler Götz Weiß in der Schopfheimer Kulturfabrik.

SCHOPFHEIM. Rostiges Metall, Schrott, ausrangierte Dinge, Bauschutt, Fundstücke vom Straßenrand: Solche Dinge sind es, die den in Schopfheim lebenden Künstler Götz Weiß faszinieren. Mit achtsamem Blick ist er unterwegs, sammelt Fundstücke auf und verarbeitet sie in ungewöhnlichen Kunstwerken. Zu sehen sind diese vieldeutigen Bildwerke, "Schrottagen" und Collage-Materialbilder in einer Ausstellung in der Kulturfabrik auf Einladung von "VHS & Kultur Schopfheim".

Bis 2011 unterrichtete Götz Weiß Mathematik und Physik an der Hans Thoma-Schule in Laufenburg; nun hat der in Wiechs lebende pensionierte Lehrer und freischaffende Künstler mehr Zeit und Muße für seine freie Kunst. In seinen Arbeiten lässt er sich von Fundstücken leiten, die ihm im Straßengraben, am Fluss, auf Spaziergängen und Entdeckungstouren auffallen. Für diese gefundenen Teile aus Metall, Holz, Ziegelstein baut er einen Bildraum. Wobei auch die Bildträger unterschiedlich im Material ausfallen, das können schwarze Filzteppiche sein, Leinwände oder Spanplatten, auf denen er die Fundstücke zu malerischen Kompositionen arrangiert. So entstehen aus dem Zusammenklang von Farben, Flächen und Materialien fantasievolle, assoziationsreiche Bildwerke, deren Titel schon Kunstwerke für sich sind. Denn Götz Weiß ist nicht nur ein sensibler Sammler und "Seher" von Fundstücken, sondern auch ein Wortspielkünstler, der Vergnügen an sprachpoetischen Titeln hat.

Ein Werk heißt "Schrotteske Kalligrafenster" und zeigt kleine Schrottteile in grünen fensterähnlichen Rahmen. "Schrottale Information" nennt sich ein anderes Werk mit Computer- und Tastaturteilen, die wie Bauteile aus einer technisierten, computerisierten Welt wirken. Auf sechs Leinwänden hat Weiß schwarz verbrannte Holzscheiben von einem Scheibenfeuer angebracht und zu einer ebenso dynamischen wie großflächigen Komposition angeordnet. Staunenswert ist auch die wandfüllende Arbeit "Trümmer-Teta-Tinnitus", in der Weiß Bestandteile eines alten, nicht mehr zu restaurierenden Konzertflügels verwendet und Teile aus den Innereien des Instruments, Tasten und Saiten zu einer Klang-Bild-Komposition arrangiert hat. Diese Arbeit entstand aus einer Performance, an der Weiß beteiligt war.

Aus der Wiese gefischt hat der Künstler ein altes Hinterrad, das er auf einen Bildträger montiert und mit leuchtend gelber Farbe hinterlegt hat. Das Rad aus dem Fluss wird zu einem mystischen "Sonnenrad" verwandelt. Ähnlich verfährt Götz Weiß mit alten Kofferdeckeln, die sichtliche Wasserränder haben. Die kantigen Kofferteile werden zu geometrischen Formen, ebenso wie eine rostige Scheibe durch die künstlerische Umsetzung eine neue Bedeutung bekommt. In Werken wie "Quadratur des Wiesenmondes" wird sichtbar, dass Weiß die klaren Formen liebt. In den einfachen Dingen liegt das ganze Universum: diese Philosophie drückt sich in Weiß’ Kunstwerken aus.

Auffallend sind zwei ältere Arbeiten mit Ölfassdeckeln auf leuchtend orangefarbenem Malgrund. "Sonnen-Öl" nennt der Künstler diese Bilder, die zum einen auf die Strahlkraft der Sonne anspielen, zum anderen durch die Materialform Assoziationen der Erdkugel wecken. Überhaupt regt Götz Weiß zu freien Interpretationen und Deutungen an, indem er scheinbar wertlos gewordene Dinge aus ihrem gewohnten Umfeld und Zweck herauslöst, in neue Zusammenhänge stellt und zu Kunst werden lässt. So etwa in der Reihe "Betonien – Fleurs du Muell", in der Schrott aus Betonkästen blüht – Objekte aus Glas, Schrott, Beton, die ironisch auf Balkonkästen anspielen. In anderen Exponaten lassen sich geheimnisvolle Tierwesen, Wasser-, See- und Teichlandschaften entdecken oder "Feuernuggets" aus Aluminium. Alle Werke hat Weiß in der Ausstellung mit einer schwarzen Linienspur, der "Mu-Line", verbunden. Sie bildet Verbindungswege und Verknüpfungen zwischen den Werken und steht symbolisch für die Verbundenheit aller Wesen und Dinge.

Mit seiner Gruppe "3 x Art + X" brachte Weiß bei der Vernissage Kunst, Klänge und bewegte Bilder zusammen: Hans-Karsten Raecke war in einer Klang-Performance mit experimenteller neuer Musik auf selbstgebauten Instrumenten und Live-Elektronik zu hören; Wolfgang Günther zeigte Videoaufnahmen mit eigener Fotokunst und raffinierten Überblendtechniken; außerdem spielte die Combo "Best Friends" – ein richtiges Kunst-Happening.

Die Ausstellung dauert bis 27. Oktober, geöffnet Mittwoch 15-18, Samstag und Sonntag 14-18 Uhr


Nota.

Auch dies ist eine Variation zu meinem gestrigen Thema Was kann mann heute noch malen?  Wie ist das aber - kann er als pensionierter Staatdiener wohl noch ein Künstler werden?
J.E.

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