Freitag, 13. September 2013

Vollkommenheit ist eine ästhetische Idee.

16173840                                                                                                                                                      aus Rohentwurf, 1

Vollkommenheit ist eine ästhetische Kategorie.

Was denn sonst?

Funktionalität mißt sich an einem jeweiligen Zweck. Wie genau etwas funktionieren muß, ist eine Frage des Zwecks: Im wirklichen Leben reichen Grade des Ungefähr. Funktionalität hat ihr Maß außer sich. Was aber die Zwecke taugen, läßt sich nicht funktional bestimmen.

In der Logik gibt es richtig und falsch. Ihr Maß ist immanent: das richtige Verfahren, die formale Richtigkeit. Das Falsche ist nicht unvollkommen, sondern nicht-richtig. Was die Resultate jedoch selber 'wert' sind, ist keine Frage der Logik.

Vollkommenheit hat kein Maß außer ihr, aber auch nicht in sich: sie hat kein Maß. Man könnte sagen, sie ist Maß. Ist sie aber nicht. Denn dazu müßte sie bestimmt werden können, kann sie aber nicht (denn wäre sie durch etwas, dann wär sie nicht vollkommen). Sie ist keine Vorstellung, sondern eine Idee, qualitas qualitatium. Ihre Bestimmtheit ist eben, daß sie unbestimmbar ist; ihr Wesen ist, daß sie fehlt. Sie ist die ästhetische Idee schlechthin. Sie ist die Suche nach der Guten Figur. Ist sie gefunden, erweist sie sich nach längerer Betrachtung [sic] als unvollkommen.

Die Idee der Vollkommenheit hat die Ethik aus der Ästhetik geborgt; Vollkommenheit des Handelns ohne Absicht auf einen Zweck; 'Zweckmäßigkeit ohne Zweck'. (In der philosophischen Schulsprache wurde die Idee der Vollkommenheit zum 'Begriff' des Absoluten substantifiziert; so als ob es 'sei': Kant, De mundo sensibilis atque intelligibilis... Bei Fichte: das logisch Absolute ist „vollständige Wechselwirkung“.)

Und umgekehrt ist der Grund des Ästhetischen ein ethischer: Etwas erscheint vollkommen, wenn es so ist, wie es sein soll. (So läßt sich ein jedes Ding unter ästhetischem Gesichtspunkt betrachten: als ob es so sei, wie es sein soll; wobei der Ursprung des Sollens ein Rätsel bleibt.)

Der spezifisch ästhetische Name der Vollkommenheit ist Schönheit. Das Schöne ist Bild des Vollkommenen. Paradox: als dieses Bild ist es nur eines; ist bestimmt, also unvollkommen: Bestimmung des Unbestimmbaren. 


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